Ora ist die Währung einer quasiautonomen Buren-Republik in Südafrika, der Name einer Kartoffelsorte und natürlich auch Bestandteil des Ora et labora der Benediktiner. Auto-Kenner wissen auch, dass es sich um die Elektroauto-Marke des chinesischen Konzerns Great Wall handelt. Nun will Ora nach Europa expandieren. Bei einer Sneak Preview kurz vor der IAA konnte ich nun einen Blick auf das erste Modell werfen, den Ora Cat.
Haomao, Pengkemao, Shandianmao und so weiter: Die Ora-Modelle tragen in China oft die Bezeichnung "mao" (Katze) im Namen. Den Punk Cat (alias Pengkemao) haben wir vor einigen Monaten vorgestellt, und das Auto auf unseren Bildern war bisher als Good Cat (alias Haomao) bekannt. Doch in Europa sollen die Namen einem anderen System folgen, an dem die Chinesen und das deutsche Marketing noch feilen. Cat ist daher nur ein provisorischer Name.
Nach einem ersten Rundgang um das Auto hatte ich den Eindruck, es würde sich um einen Kleinwagen handeln. Genau richtig, sagt der italienische Produktmanager, genau das wollten wir erreichen: Das Auto soll so kompakt wirken wie ein Kleinwagen, aber in Wirklichkeit ist der Cat mit rund 4,20 Meter etwa so lang wie ein VW ID.3 – also ein Kompaktwagen.
Der zweite Eindruck war: Was für ein seltsames Design. Die Front gefällt mir ganz gut – sie erinnert vage an Porsche oder Mini. Auch der blaugrüne Perleffekt-Lack und das weiße Dach sind okay. Aber das Heck? Nun, urteilen Sie selbst. Die Besonderheit daran ist, dass die Rückleuchten versteckt wurden. Mein Geschmack ist es nicht, aber der Wagen soll ja auch keine Mittfünfziger ansprechen, sondern junge Leute.
Außerdem soll es eine zweite "GT"-Ausstattung geben, die dem Wagen einen dynamischen Touch verleiht. Dazu gibt es eine Tieferlegung, Lufteinlässe vorne, einen Heck-Diffusor und einen kleinen Dachspoiler. Auch rote Farbakzenten für die Räder und an anderen Stellen verbessern die Optik, wie wir auf ersten Fotos sehen konnten.
Für den Antrieb sorgt ein 120 kW starker Elektromotor, der den Wagen bis auf etwa 160 km/h bringen soll. Zwei Batterieversionen mit 49 bzw. 63 kWh sind geplant, was Reichweiten von etwa 300 bzw. 400 km ergeben soll. Die Akkus kommen vom chinesischen Hersteller CATL. Aufgeladen wird entweder mit bis zu 22 kW Wechselstrom oder an der Gleichstrom-Schnellladesäule. Dann soll man den kleinen Akku in 45 Minuten von 0 auf 80 Prozent SoC bringen, bei der großen Batterie dauert es zehn Minuten länger.
So seltsam das Exterieur wirkt, so gelungen ist das Cockpit. Auf dem Armaturenbrett steht serienmäßig ein 20,5-Zoll-Doppeldisplay mit ansprechenden Anzeigen, die Materialien sind bei der von uns geprüften Version fast schon auf Premium-Niveau. Die Oberflächen fühlen sich wie Leder an, sind aber vegan. Besonders beeindruckend fanden wir die Haptik des Rautenstepp-"Leders" an den Türinnenseiten.
In Sachen Technik bietet die Elektro-Katze Matrix-LED-Scheinwerfer, mit denen man das Fernlicht angeschaltet lassen kann, weil der Gegenverkehr durch Abschalten von Leuchtelementen "ausgeblendet" wird. Serienmäßig sind ein Radarsystem und eine Frontkamera fürs teilautonome Fahren an Bord. Innen gibt es eine Gesichtserkennung, die es ermöglicht, bestimmte Einstellungen automatisch an Fahrerin oder Fahrer anzupassen. Zum Beispiel fährt der Fahrersitz nach dem Einsteigen automatisch in die richtige Position.
Im Fond bietet der Ora-Erstling erstaunlich viel Platz. Kein Wunder, denn bei der Entwicklung wurde dem Platz im Fond Priorität eingeräumt. Nachteil: Der Kofferraum fällt deutlich kleiner aus als sonst bei Kompaktwagen. Schwere Getränkekästen über die hohe Schwelle heraus zu wuchten, dürfte ebenfalls nicht ganz einfach sein.
Die Preise für den Ora Cat sollen bei rund 30.000 Euro beginnen. Das ist günstig, denn dafür erhält man bisher nur Elektro-Kleinwagen à la Opel Corsa-e oder Renault Zoe. Wir hoffen nur, dass es sich um den Preis vor Förderung handelt – extra nachgefragt haben wir nämlich dummerweise nicht.
Bildergalerie: Ora Cat auf der IAA 2021
Bestellstart soll noch dieses Jahr sein; die Auslieferungen beginnen dann im ersten Halbjahr 2022. Zuvor muss der Wagen allerdings noch die Typzulassung bekommen. In Sachen Crashsicherheit ist Ora unbesorgt: Der Neuling verdient fünf Sterne, glaubt das kleine Deutschland-Team der Marke. Letzteres wurde (aus offenbar erfahrenen Leuten) in Rekordzeit zusammengestellt. Unsere Sneak Preview war die Generalprobe für die Mannschaft, Premiere ist dann am kommenden Montag auf der IAA, wo der Ora Cat dann offiziell präsentiert wird. Wenn alles klappt, will Ora später dann noch einen Kleinwagen und ein SUV nachschieben – alles reine Elektroautos.
Eine zweite Great-Wall-Marke, die ebenfalls ab 2022 auf den europäischen Markt will, zeigt auf der IAA ein großes SUV mit Plug-in-Hybrid-Antrieb, den Wey Coffee 01; mehr dazu auf unserer Schwesterseite Motor1.
Bildergalerie: Ora Cat (Pressebilder)
Technische Daten des Ora Cat
- Antrieb: 1 E-Motor vorne mit 126 kW und 250 Nm
- 0-100 km/h / Höchstgeschwindigkeit: 8,5 Sek. / 160 km/h
- Akku: 49 bzw. 63 kWh (Zellen von CATL)
- Reichweite: ca. 300 bzw. 400 km WLTP
- Maße: 4.235 mm Länge / 1.825 mm Breite / 1.596 mm Höhe / 2.650 mm Radstand
- Preise: ab ca. 30.000 Euro
- Marktstart: 1. Halbjahr 2022