Die Elektromobilität in all ihren Facetten ist ein wichtiges Forschungsthema am Campus Garching. Forschende der Technischen Universität München erkunden Aspekte von der Batteriezelle über den Akku und den Elektromotor bis hin zu Ladesystemen.

Sogar ganze Elektroautos wie das Evum aCar oder den Mute haben die verschiedenen Lehrstühle bereits auf die Räder gestellt. Bei einer EV-Roadshow am 16. Februar informierten wir uns über die einzelnen Projekte.

Im Bereich Batteriezellen erkundet der Lehrstuhl für Energiespeichertechnik von Professor Andreas Jossen unter anderem moderne Zellen mit Tabless-Technik, wie sie Tesla für seine 4680-Zellen einsetzt, oder Anoden mit erhöhtem Siliciumanteil.

Zellchemie-Forschung in Garching: Graphit-Anoden mit 3% Silicium sind laut Prof. Jossen heute schon Stand der Technik. Höhere Si-Anteile führen zu höherer gravimetrischer Energiedichte, aber auch größeren Volumina

Mit wachsendem Silicium-Anteil steigt die gravimetrische Energiedichte von Graphit-Anoden, aber auch das Volumen wird immer größer, wie hier mit Styroporblöcken veranschaulicht

Die Anode einer Lithium-Ionen-Batterie besteht normalerweise aus Graphit; ein Siliciumanteil von drei Prozent ist heute schon Stand der Technik. Höhere Silicium-Anteile führen zu einer höheren Speicherkapazität pro Gramm und damit zu mehr Reichweite. Doch wird die Anode auch immer voluminöser und weniger langlebig. Die Doktoranden von Prof. Jossen beschäftigen sich unter anderem mit der Prüfung von solchen Zellen; dabei arbeitet man unter anderem mit der Firma Wacker zusammen.

Ladestecker fürs Megawatt-Charging von Elektrolastern: Trotz 1.000 kW Ladeleistung kommt das Kabel noch ohne Wasserkühlung aus; beim Nachfolgeprojekt Nefton fürs Laden mit 3MW wird das nicht mehr reichen

Eigentlich nur mit zwei Händen bedienbar: Der Stecker des Megawatt-Charging-Projekts für Elektrolaster

Ein weiteres interessantes Projekt ist die Zusammenarbeit mit MAN beim Thema Megawatt-Charging für Elektro-Laster. Wir konnten den Stecker in die Hand nehmen – oder besser in zwei Hände, denn für eine Hand eines Schreibtischmenschen ist er zu schwer. Das Kabel, das eine Ladeleistung von etwa 1.000 kW übertragen muss, kommt (anders als die CCS-Kabel an Schnellladern für Pkws) noch ohne Flüssigkühlung aus. Beim Anschlussprojekt Nefton geht es um eine Ladeleistung von drei Megawatt – da wird eine Kühlung integriert werden müssen.

In Entwicklung ist noch das System, das den Stromkreis bei einem elektrischen Ladefehler öffnet: Dazu müssen die beiden Enden der Leiter sehr schnell und möglichst weit auseinandergerissen werden, damit es nicht zu einem Lichtbogen kommt.

Interessant auch der Stand zum Evum aCar, dem Elektro-Nutzfahrzeug, das die TU München konstruiert hat: Das ein wenig klapprige Gefährt – wir fuhren 2018 einen Prototypen (Bericht bei Motor1) – mit extrem hoher Nutzlast ist inzwischen in einigen deutschen Kommunen im Einsatz.

Gedacht war der Kleinlaster eigentlich für Afrika, wo fossile Kraftstoffe wegen Transportproblemen oft teuer sind, während Solarstrom immer weitere Verbreitung findet. Die Forschenden zeigten ein System von Wechselbatterien: Diese können einfach in eine Halterung auf der Ladefläche eingesetzt werden und haben dort Kontakt zur Traktionsbatterie. Außerdem arbeitet der Lehrstuhl an einem Elektro-Traktor für Afrika.

Auch auf eine Datenbank mit Batteriezellen zahlreicher Hersteller wurden wir aufmerksam gemacht. Sie erlaubt es, die Energiedichte (gravimetrisch und volumetrisch), Laderate (in C-Einheiten) und Zyklenfestigkeit von Zellen zu vergleichen. Die Datenbank ist unter der Adresse https://cellselection.ftm.ed.tum.de öffentlich einsehbar – die Daten können wir vielleicht auch mal für unsere eigene Berichterstattung brauchen.

Grafik zur globalen Produktion von Elektroautobatterien

Elektroauto-Batterien: Die Produktion wird sich in den nächsten Jahren vertausendfachen

Rüdiger Daub, Professor für Werkzeugmaschinenbau, erzählte, dass er viel zu wenig Studenten habe: Der Bedarf an Fachleuten für die Produktion von Elektroauto-Batterien werde sich in den nächsten Jahren vervielfachen. Denn die globale Produktion von E-Auto-Batterien, die 2020 noch bei 110 Gigawattstunden gelegen habe, müsse sich bis 2030 mehr als verzehnfachen auf 1.910 GWh, und danach weiter auf rund sechs Terawattstunden (siehe Grafik oben).

An Daubs Institut gibt es auch eine ganze Halle, wo Batteriezellen im Technikumsmaßstab gebaut werden können, und zwar "von Rolle zu Rolle": Auf diesen Rollen werden die hauchdünnen Folien ausgewalzt, die später die Anoden, Separatoren und Kathoden einer Batteriezelle ausmachen. In einem anderen Anlagenteil werden die Folien dann Z-förmig zu Pouch-Zellen zusammengefaltet.

Generell geht Daub nach dem Grundsatz vor: Nur so viel Mechanisierung wie nötig. Denn wo eine Maschine arbeitet, kann man wenig am Prozess ändern, und außerdem wird es natürlich teuer. So sieht man in Daubs Reich auch viele Glove-Box-Arbeitsplätze, an denen per Hand neue Zellen gebaut werden können. Dies ist ausnahmsweise mal ein Punkt, wo die Forschenden der TU mal anders als die Industrie arbeiten.

Batterie und Antrieb des Renault Zoe

Batterie und Antrieb des Renault Zoe

Generell waren wir jedoch überrascht, wie industrienah die Elektromobilitäts-Forschung an der TU München abläuft. Von unserem eigenen Studienfach (Chemie) wissen wir, dass das auch ganz anders aussehen kann. Und Münchner Informatik-Studenten mussten zeitweise die von einem Professor erfundene Programmiersprache lernen statt Java oder C++, was ja wohl auch kein Musterbeispiel für Praxisnähe darstellt. Wir hatten erwartet, dass uns die TU München eher akademische Projekte vorstellt, mit wenig Bezug zu aktuellen E-Autos. Doch das Gegenteil war der Fall. 

Unser Titelbild zeigt Fahrzeugtechnik-Professor Markus Lienkamp bei seiner Rede zur EV-Roadshow 2023 an der TU München in Garching.