King of the Hammers: Das ist eines der härtesten Motorsport-Rennen überhaupt. Es findet jedes Jahr im Februar in der Mojave-Wüste statt und zieht Rennfahrer aus aller Welt an, die hoffen, die berüchtigten Hammer Trails zu bezwingen.
Die Fahrer müssen eine Wüsten-Passage voller sandiger, schlammiger Loopings durchqueren, aber auch felsige Trails mit vielsagenden Namen wie King's Veto, Wrecking Ball und Jackhammer, die mit Felsbrocken von der Größe eines Autos übersät und mit senkrechten Felswänden gesegnet sind. Dieses Rennen ist nichts für Weicheier.
Die Autos bei diesem Event fahren in der Regel auf 40-Zoll-Reifen mit wahnsinnig langen Federwegen. Ihre V8-Motoren haben so viel PS und so viel Drehmoment, dass man das Dröhnen im Herzen spüren kann. Alles andere als ein Ort für ein Elektroauto, oder doch?
Wer das glauben, liegt falsch. Ultra4 Racing, der Veranstalter von King of the Hammers, kündigte erst letztes Jahr eine spezielle Elektroauto-Klasse für die Rennsaison 2024 an – also etwas wie die Offroad-Variante der Formel E. Zehn Teams wurden ausgewählt. Sie erhielten eine Batterie, einen Elektromotor und eine Steuereinheit und mussten ein Auto um diese Komponenten herum bauen. Die Aufgabe war schwieriger als erwartet, aber die Leute von KOH haben es geschafft, ein Demo-Auto fertigzustellen, das nun bei den Rennen 2023 im Vorgriff auf die nächstjährige Rennserie vorgeführt werden soll.
Der Bau des Elektro-Rock-Crawlers
Ryan Kalb ist der Leiter der Produkt- und Systemtechnik beim Elektroauto-Spezialisten Hypercraft. Er und die anderen Hypercraft-Mitarbeiter mussten einen Antriebsstrang entwickeln, der auf dieser brutalen Rennstrecke bestehen kann. Außerdem müssen sie die Vision des King-of-the-Hammers-Chefs Dave Cole wahr werden lassen: Cole wollte eine Elektroauto-Klasse ins Leben rufen. Er wusste er genau, welches Fahrzeug als Basis für den Prototyp dienen sollte: ein älterer Rock Crawler mit einem 5,7-Liter-V8, soliden Achsen vorne und hinten, 40-Zoll-BFGoodrich-Reifen und jeder Menge Charme. Er war perfekt.
Dieser Prototyp erhielt dieselben Elektro-Komponenten, die auch in den Rennwagen zum Einsatz kommen sollen. Hypercraft entwickelte das gesamte System und ist maßgeblich daran beteiligt, dass alle Teile und Komponenten funktionieren. Das Unternehmen lieferte auch die Batterie. Außerdem bestellte Hypercraft bei Spicer Electrified einen 800-Volt-Motor, mit etwa 500 kW und 1.400 Newtonmeter Drehmoment – perfekt, um diese riesigen Reifen über Felsen und Geröll zu schieben. Für das Zusammenspiel aller Komponenten sollte ein Steuergerät von AEM Electronics sorgen.
Ich bekomme meine Chance hinter dem Steuer, während Kalb auf dem Beifahrersitz Platz nimmt. Er bittet mich, auf einen Überschlag zu verzichten. Nun, ich habe reichlich Erfahrung mit Elektroautos im Gelände. Ich habe zweimal mit dem Rivian R1T an der Rebelle Rallye teilgenommen, bin mit dem VW ID.4 ein paar Etappen der NORRA Mexican 1000 gefahren und hatte sogar den GMC Hummer EV im Gelände. Aber diese Rock-Crawling-Sache ist neu für mich.
Ein Höllenlärm
Zunächst einmal ist es ziemlich laut. Ich erwarte das Klappern und Quietschen eines Rennwagens – ich habe einen eigenen Offroad-Wüstenrenner, und der hört sich an, als könnte er sich selbst kaputtschütteln. Aber hier ist das Cockpit offen, und ich bin überrascht, wie laut der Motor ist. Kalb und ich müssen schreien, um uns bei dem Lärm zu verständigen.
Ich lasse den Wagen zuerst durch weichen Sand rollen und er fährt so, wie ich es erwartet hatte. Mit anderen Worten, die Beschleunigung war gut, es gab eine ordentliche Portion Rekuperation, und die Lenkung – die bei Offroad-Rennwagen eigentlich immer ein wenig angsteinflößend ist – ist ein Horror. Die Lenkung hat wahnsinnig viel Spiel in der Mitte und ist fast zu schwergängig für mich, da die Servopumpe noch nicht perfekt auf den Elektroantrieb abgestimmt ist. Gut, dass dies nur ein Demo-Auto ist.
Völlig neu für mich ist die Idee eines Zweigang-Verteilergetriebes. Wozu sollte ich bei fast 1.400 Newtonmeter Drehmoment eine Untersetzung brauchen? Laut Kalb soll das Getriebe verhindern, dass sich der Motor zu langsam dreht und dadurch zu viel Wärme erzeugt. Außerdem ermöglicht es eine bessere Kontrolle in den Felsen.
Apropos, in der Nähe gab es eine kleine Gruppe von Felsen, die etwa einen Meter hoch waren. Kalb sagte mir, ich solle in diese Richtung fahren. Das ist nichts im Vergleich zu dem, was man während des Rennens bewältigen muss, aber meine Erfahrung als Wüstenrennfahrerin hat mich gelehrt, immer nach einem möglichst problemlosen Fahrweg zu suchen. Ich bin nicht das, was man einen Rock Donkey nennt. Sicher, ich bin den Rubicon Trail mit einem Serien-Wrangler gefahren, aber dieser kleine Abschnitt hier würde einen fabrikneuen Jeep in Stücke reißen.
Das erste kleine Stück ist einfach, nur Felsen, die vielleicht 30 Zentimeter hoch sind. Um vorwärts zu kommen, muss ich jedoch den linken Vorderreifen auf einen Felsen setzen, der dreimal so groß ist. Hier kommt das Verteilergetriebe ins Spiel. Der Motor darf nicht das gesamte Drehmoment auf einmal liefern, ich muss es hinauszögern. Denn ich muss meine Räder genau platzieren, damit ich nicht in Teufels Küche komme. Die Vorderachse biegt sich und bald habe ich ein Rad auf dem Felsen, das andere steht fest auf dem Boden.
Als ich langsam die Felswand hinunterfahre – Hier gibt's keine Bergabfahrhilfe, Leute –, muss das rechte Hinterrad über einen Felsen und dabei muss ich viel Seitenwand nutzen, um die Traktion zu erhalten. Kalb zeigt mir, wie ich über ein paar weitere Felsen hinunter in den weichen Sand komme, und dort stoße ich einen Siegesschrei aus. Erste Elektro-Felskletterei geschafft!
Aufladen in der Wüste
Irgendwann aber musste mein Elektro-Baby seine Batterie wieder aufladen, was nicht einfach ist, wenn der Track 30 Auto-Minuten von der nächsten Stadt entfernt ist – einer Stadt, die nicht gerade für ihre große Auswahl an Ladesäulen bekannt ist. Optima Batteries rettete den Tag mit einem tragbaren, solarbetriebenen Level-2-Ladegerät. Laut Kalb hat das Demo-Auto einen 6,6-Kilowatt-Bordlader und kann mit 240 Volt geladen werden. Gleichstrom-Schnellladen ist momentan noch nicht möglich. Optima konnte jedoch eine ganze Flotte von Rivian-Autos mit über 200 kW aufladen. Ziemlich cool.
Kalb ist sich nicht sicher, wie groß die Reichweite unseres Demo-Fahrzeugs ist, glaubt aber, dass man damit sechs Stunden lang in den Felsen fahren kann. In weichem Sand und bei hohen Geschwindigkeiten werde es wahrscheinlich viel Strom brauchen. Das Team wird weitere Tests durchführen, um diese Zahlen zu ermitteln. Kalb sagt auch, dass er daran arbeitet, ein besseres Lenksystem zu entwickeln, mit einer Pumpe, die mit einem Elektroantrieb funktioniert.
Wenn die Rennfahrer die fertige Rennfahrzeug-Technik in die Hände bekommen, können sie damit jedes beliebige Fahrzeug bauen. Die Teams können ein Fahrzeug mit fester Achse oder einen Buggy-ähnlichen Rock Crawler mit Einzelradaufhängung vorne bauen – oder sogar das ganze Paket in einen Side-by-Side-Wagen einbauen.
Während die benzinbetriebenen Rennwagen in der Regel eine Strecke von etwa 390 Kilometern zurücklegen, werden die E-Fahrzeuge eine kürzere Runde fahren, bei der wahrscheinlich nicht aufgeladen werden muss. Dennoch werden sie sowohl die offene Wüste als auch die unnachgiebigen Felsen zu spüren bekommen. Also bleibt dran, Leute. King of the Hammers 2024 dürfte ziemlich ... elektrisierend werden.
Fotos: Todd Van Fleet