Egal wie man zu ihm steht, der Tesla Cybertruck ist in den USA derzeit tatsächlich auf einem erfolgreichen Weg. In dem halben Jahr, in dem er jetzt auf dem Markt ist, hat er sowohl den Ford F-150 Lightning als auch den Rivian R1T bei den Zulassungen überholt. Zwei Elektro-Pickups, die lange vor dem eigensinnigen Modell auf den Markt kamen.
Er ist groß, auffällig, teuer und mit Sicherheit umstritten. Allein letzteres ist vermutlich einer der Gründe, warum er in den USA so beliebt ist. Aber während die Amerikaner ihre Trucks einfach online bestellen können, warten etwaige europäische Fans sehnsüchtig auf das containerähnliche Elektrofahrzeug.
Bildergalerie: Tesla Cybertruck (2024) Live
Ein Erstkontakt ist hierzulande nur eingeschränkt möglich. Eine offizielle Lösung ist derzeit nicht in Sicht. Das hat jedoch niemanden in Europa davon abgehalten, den Cybertruck zu importieren und ihn für den öffentlichen Straßenverkehr zuzulassen.
Unser US-Kollege Iulian Dnistran hat mit einigen Leuten gesprochen, die entweder bereits einen Tesla Cybertruck mit Straßenzulassung in der EU besitzen oder sich gerade im Zulassungsprozess befinden, um ihn zu verkaufen, sobald dieser zulassungsfähig ist.
Dass das kein einfacher Prozess ist, weiß wohl jeder, der sich schon einmal mit Importen und Einzelabnahmen beschäftigt hat: Überseetransport, Hardwaremodifikationen und ein überschaubarer Ersatzteilmarkt erschweren die Lage. Aber es ist offensichtlich machbar.
Tesla Cybertruck Gründerausgabe
Als die Auslieferung des serienmäßigen Cybertrucks Ende letzten Jahres begann, schlug Teslas Vizepräsident für Fahrzeugtechnik, Lars Moravy, den letzten Nagel in den Sarg für die potenzielle Verfügbarkeit des Fahrzeugs in Europa. "Europäische Vorschriften verlangen eine Abrundung von 3,2 Millimetern an überstehenden Teilen", sagte er. "Leider ist es unmöglich, eine Rundung von 3,2 Millimetern auf einem 1,4-Millimeter-Blech aus rostfreiem Stahl herzustellen."
Seine Aussagen erfolgten, nachdem sich mehrere Experten zur europäischen Zukunft des Cybertrucks geäußert hatten. Einige meinten, dass das voraussichtliche Gewicht Teslas Fahrzeug in die Kategorie der Lkws einordnen würde.
Die Attraktivität des Koloss wäre damit für Käufer hierzulande natürlich eingeschränkt worden. Denn nur ein geringer Teil besitzt einen Lkw-Führerschein (in Deutschland sind es in etwa 50 Prozent aller Führerscheininhaber). Das Problem mit dem Gewicht hat sich jedoch inzwischen gelöst
Die Experten sagten zudem, dass die schwer zu biegenden Karosseriebleche aus rostfreiem Stahl es fast unmöglich machen würden, die lokalen Anforderungen an die Crashsicherheit zu erfüllen. Der NACS-Ladeanschluss, mit dem alle Tesla-EVs in den USA ausgestattet sind, müsste ebenfalls gegen den in Europa weit verbreiteten CCS2-Anschluss ausgetauscht werden.
Aber keine Sorge liebe Cybertruck-Fans. Wie wir von unseren Quellen erfahren haben, sind weder die Edelstahlplatten noch der Ladeanschluss in Wirklichkeit ein Problem. Und auch für die scharfen Kanten scheint es eine schnelle Lösung zu geben.
Hier kommt Norton Slovak ins Spiel. Er lebt in Tschechien – ist der Mann hinter der Website Cybertruck.cz und Besitzer des ersten Tesla Cybertrucks, der in seinem Heimatland zugelassen wurde. Sein Fahrzeug ist einer der ersten Tesla-Pickups in der EU. Seine Geschichte begann vor etwa einem Jahr, als sich eine Gruppe von Tesla-Fans zusammenschloss und den Plan fasste, das ausgefallene Elektrofahrzeug aus den USA zu importieren.
Das Auto wurde zunächst in Nordamerika reserviert und ausgeliefert und dann privat in die EU verschifft, wo der Zulassungsprozess begann, wie mir Slovak per E-Mail mitteilte.
Eines der größten Probleme, die die Straßenzulassung des Cybertrucks verhinderten, waren die Rückleuchten, die komplett rot sind. Es handelt sich um 48-Volt-Einheiten mit einer eigenen elektrischen Architektur, die sich nur schwer an die Vorschriften anpassen lassen. Daher erhielt der Pickup zusätzliche gelbe Blinker und eine rote Nebelschlussleuchte am Heck.
Was die scharfen Kanten betrifft, so war die Lösung einfacher als erwartet. "Das Auto hat Modifikationen in Form von Gummikantenschutzvorrichtungen für scharfe Kanten, die vorne und hinten mit Fußgängern in Berührung kommen könnten", sagte Slovak.
Auch das Aufladen ist kein Problem. Mit einem CCS-zu-NACS-Adapter kann der Cybertruck problemlos an europäischen DC-Schnellladestationen aufgeladen werden. Ebenfalls dokumentierte Slovak, dass das Laden mit 800-Volt an kompatiblen Ladestationen ohne Probleme funktioniert. Das Gewicht des Fahrzeugs liegt mit 2.995 Kilogramm ebenfalls unter der magischen 3,5-Tonnen-Grenze zum Lkw.
Bei Ersatzteilen und Wartung wird die Sache allerdings etwas schwieriger. "Wir haben Kontakte in den USA – jedes Teil muss dort gekauft und nach Europa geschickt werden, wo wir das Fahrzeug reparieren können", erklärte mir Norton Slovak in einer E-Mail. Die Besitzer müssen sich auf lange Wartezeiten für den Versand von Teilen aus Übersee einstellen. Software-Updates sind dank Over-the-Air jedoch kein Problem.
Bleibt nur noch die Einzelabnahme für das importierte Fahrzeug, wofür bekanntermaßen ein Sachverständiger der Technischen Überwachungsvereine erforderlich ist, der alle Anpassungen überprüft und abgleicht. Wenn alles passt, gibt's die Zulassung.
Bildergalerie: Der erste in der Tschechischen Republik registrierte Tesla Cybertruck (Quelle: Norton Slovak für InsideEVs)
Und was kostet der ganze Spaß? Der Tesla Cybertruck in der Foundation Series mit Dual Motor kostet in etwa 100.000 Dollar, zum jetzigen Wechselkurs zirka 92.300 Euro. Mit Kosten für den Versand, Umbauten, Arbeitszeit, die Einzelzulassung und die Zulassungsgebühren müssen potenzielle Käufer vermutlich noch einen zweiten Blick auf ihr Bankkonto werfen, um sicherzustellen, dass sie die Rechnungen bezahlen können.
Auch wer sich um den ganzen Papierkram nicht kümmern will, wird inzwischen versorgt. Ein Unternehmen namens Next Exclusives in den Niederlanden hat sich auf den Verkauf von Luxusautos spezialisiert. Zurzeit importiert dieses einen Cybertruck der Foundation Series mit Allradantrieb, von dem sie behaupten, er sei der "erste niemals zugelassene Cybertruck", der jemals in der EU zum Verkauf angeboten wurde.
Der Preis? Satte 356.950 Euro. Ich habe mich mit dem Unternehmen in Verbindung gesetzt, um mehr über deren Pläne mit diesem Fahrzeug zu erfahren und um herauszufinden, ob es bereits Interesse am "niemals zugelassenen Cybertruck" gibt.
"In den Niederlanden fahren viele US-Pickups herum, wie der Dodge Ram und der Ford F-150", erklärte mir Jens van der Putten von Next Exclusives in einer E-Mail. Die extrem begrenzte Anzahl von Cybertrucks auf europäischen Straßen bedeutet jedoch, dass es sich um ein sehr exklusives Auto handelt. "Ein Cybertruck ist exklusiver als zum Beispiel ein Lamborghini Urus. Aus diesem Grund kann man in Europa auch einen neuen Markt erschließen, weil er so exklusiv ist."
Das in den Niederlanden ansässige Unternehmen hat den Pickup noch nicht erhalten, da die Auslieferung erst im August erwartet wird, aber das hat Interessierte nicht davon abgehalten, bereits danach zu fragen. "Aufgrund der Exklusivität und der (betrieblichen) Steuervorteile, die das Land bietet, ist das Interesse größer, als ich ursprünglich erwartet hatte. Ich hoffe, dass wir in den nächsten Tagen zu einem Abschluss kommen", sagte Jens van der Putten.
Bildergalerie: Tesla Cybertruck Founders Edition
Das Unternehmen wird sich um den gesamten Papierkram und die Einzelbetriebserlaubnis für die Zulassung des Cybertruck in den Niederlanden kümmern, was bedeutet, dass das Fahrzeug bei Vorlage aller nötigen Papiere überall in der EU zugelassen werden kann.
"Eine Einzelbetriebserlaubnis ist nicht etwas Einmaliges. Leute, die ein Auto von außerhalb Europas importieren wollen, das noch nie vom Hersteller nach Europa geliefert wurde, oder Leute, die zum Beispiel ein Kit Car gebaut haben, können diese nutzen", so der Händler gegenüber InsideEVs US. "Wir gehen davon aus, dass dies bei diesem Cybertruck keine Probleme verursachen wird. Es ist dasselbe Verfahren, als würde zum Beispiel ein Nissan R34 GT-R aus Japan importiert", fügte er hinzu.
Ich fragte Slovak, den tschechischen Eigentümer von Cybertruck.cz, nach dem horrenden Preis des Next Exclusives Trucks. Er erzählte mir, dass er - Zufall oder nicht - jetzt ebenfalls Cybertrucks in Europa importiert und zulässt. Ohne konkrete Zahlen zu nennen, sagte Slovak, dass es deutlich weniger kosten würde, den US-Pickup in die EU zu bringen und eine Straßenzulassung zu erlangen.
Derzeit wird der in Tschechien zugelassene kantige Pickup von Slovak als rollende Werbetafel in und um Prag eingesetzt. Zur Zeit ist es ziemlich schwierig, herauszufinden, wie viele Cybertrucks bereits auf den Straßen in Europa unterwegs sind.
Es gibt mehrere Berichte über die Ankunft von Cybertrucks in europäischen Häfen. Diese werden dann weiter nach Osten verschifft. Mindestens einen Artikel tauchte bei der Recherche über einen Cybertruck auf, der angeblich in Deutschland zum Verkauf stand, nachdem er zugelassen worden war. Jedoch konnte ich keinen davon ausfindig machen, um mehr zu erfahren. Es scheint wohl nur eine Frage der Zeit, bis mehr dieser Klopper auf den europäischen Straßen auftauchen werden.