Der MG4 Electric ist das erste E-Auto auf Basis der Modular Scalable Platform (MSP), die auch die kommenden Elektroautos des chinesischen Herstellers tragen soll. Deswegen waren wir besonders gespannt den 4,29 Meter langen Kompaktwagen. 

Wir haben das Auto in der Topversion Luxury fast einen ganzen Tag im bayrischen Voralpenland gefahren – auf der Autobahn, auf der Landstraße und in der Stadt. Auch einen Schnelllade-Versuch haben wir gemacht.

Optik: Sportliches Exterieur

Äußerlich wirkt der MG4 Electric ein wenig wie ein Tuning-Modell – so sportlich wurde er gestaltet. Dabei ist er nicht stärker als der viel gelassener daher kommende VW ID.3. Der Unterschied zum nüchternen Rivalen könnte kaum größer sein. Die zerklüftete Frontschütze, der geteilte Dachspoiler hinten und die scharf gezeichneten Scheinwerfer: All das wird Leute ansprechen, die von einem Auto verlangen, dass es ein wenig böse und aggressiv wirkt.

MG4 Electric: Das Exterieur (Detail)
MG4 Electric: Das Exterieur

Ganz ehrlich: Wir gehören nicht zu diesen Leuten, optisch gefällt uns der VW wesentlich besser. Nur die raffinierten Rückleuchten, die nach oben ein rotes Strich-Muster zeigen, die haben es uns wirklich angetan.

Cockpit und Bedienung: Schriften in Hellgrau auf Weiß 

Innen hat sich MG für eine recht schlichte Optik entschieden, und von Sportlichkeit ist hier wenig zu spüren – abgesehen von dem oben und unten abgeflachten Lenkrad und vielleicht von den Sitzen, die mit ihren wulstigen Seitenwangen sportlich aussehen. Sie bieten in der Tat guten Seitenhalt, ohne hart und unbequem zu sein.

MG4 Electric: Das Cockpit

Die Displaylandschaft erinnert stark an den ID.3. Auf der Lenkachse sitzt ein kleines Fahrerdisplay (7 Zoll), in der Mitte gibt es einen 10,25-Zoll-Touchscreen im Querformat. Beide Displays sind schlecht entspiegelt. Vor allem aber sind einige kleine Schriften sehr schlecht zu lesen, vor allem im hellen Tagesmodus, wenn die Lettern in Hellgrau auf Weiß erscheinen. Zudem sind etliche Anzeigen noch nicht richtig eingedeutscht, wie die Navigationsanweisung "500 m Turn Right steig ein" zeigt. Das sind ärgerliche Details, die sich aber über ein Over-the-Air-Update leicht beseitigen lassen.

Navigationssystem: Licht und Schatten

Das Navigationssystem arbeitet im Großen und Ganzen gut. Gefallen hat uns, dass man zum Beispiel auch einfach den Namen eines Hotels oder einfach nur "Pflanzen" eingeben kann, um ein Ziel zu finden. Außerdem berechnet das System auf Wunsch den Aktionsradius und zeigt ihn an, genauso wie Staus und zähfließenden Verkehr (Echtzeit-Verkehrsdaten).

MG4 Electric: Anzeige von Staus (Echtzeit-Navigationsdaten)
MG4 Electric: Für jede Ladestation zeigt das System die zahl der Ladepunkte und die Ladeleistung an, nicht aber die Belegung

Allerdings brauchte das System mehrere Minuten, um eine weniger als 50 km lange Route zu berechnen. Und es schlägt keine Ladestrategie vor, wenn man zum Beispiel das 900 km entfernte Rom als Ziel eingibt. Laut MG werden aber bei langsam zur Neige gehender Ladung (um die 20 Prozent SOC) nahe gelegene Ladestationen vorgeschlagen. Dann erhält man auch den Vorschlag, die Batterie vorzukonditionieren. Die Ladestationen werden natürlich auch in der Karte angezeigt. Ein Tipp darauf, und man sieht, wie viele Ladepunkte mit welcher Ladeleistung es dort gibt – nur die Belegung zeigt das System nicht an.     

Assistenzsysteme: Kaum nutzbarer Spurhalteassistent

An den Assistenzsystemen muss MG noch feilen. Mit der Bedienung des Abstandstempomaten fanden wir uns schnell zurecht. Aber es regelt unnötig ruppig. Nähert man sich einem langsameren Fahrzeug, bremst es so plötzlich, dass einem der Kopf nach vorn fällt. Und auf der Landstraße bremste das System einmal in der Kurve an, weil es einen entgegenkommenden Laster für ein Hindernis hielt.

Der Spurhalteassistent verweigerte auf der Autobahn vollständig den Dienst, auf der Landstraße wurde teils Betriebsbereitschaft angezeigt, doch auch in leichten Kurven wurde die Mittellinie überfahren und ohne manuelle Korrektur wären wir oft im Graben gelandet. Bitte ein Update, MG!  

Viel Platz in Fond und Kofferraum

Der Platz im Fond ist jedoch ordentlich: Vor den Knien des 1,75 Meter großen Autors blieben rund acht Zentimeter, wenn der Vordersitz für dieselbe Körpergröße eingestellt ist. Über dem Scheitel bleiben ebenfalls drei oder vier Zentimeter. Gut nutzbar ist auch der Kofferraum.

Unter dem Ladeboden gibt es zwei Taschen mit dem Typ-2-Ladekabel für die öffentliche AC-Säule und dem Kabel für die Haushaltssteckdose enthält. Nicht im Lieferumfang enthalten ist der Adapter für das bidirektionale Laden; damit lassen sich Elektrogeräte mit bis zu 2,2 kW Strom versorgen. 

Laden, Batterie und Vorkonditionieren

Apropos Laden: Der gefahrene MG4 Electric Luxury lädt mit bis zu 11 kW Wechselstrom und bis zu 135 kW Gleichstrom. Das sind sehr ordentliche Werte, und wie ein Ladeversuch an einer 300 kW starken EnBW-Säule in Unterhaching zeigte, stehen die 135 kW nicht nur auf dem Papier: Es wurden sogar 142 kW erreicht. Zudem ist die Ladekurve wirklich beeindruckend: Die maximale Ladeleistung wird bis etwa 50% SOC gehalten. Und die durchschnittliche Ladeleistung gab die Säule mit 105 kW an – sehr sehr ordentlich:

MG4 Electric: Sehr gute Ladekurve am 300-kW-Lader von EnBW

Für die Ladesitzung von 8 bis 80 Prozent brauchten wir 27 Minuten – offiziell werden 35 Minuten (10-80%) angegeben. Dabei luden wir bei recht kühlen Außentemperaturen von schätzungsweise 10 Grad, und die Batterie war nur kurz vortemperiert worden.

Das Vortemperieren geschieht beim MG4 manuell; ist die intelligente Vorkonditionierung eingeschaltet, entscheidet das System, ob die Batterie gewärmt oder gekühlt werden muss. Eine automatische Aktivierung, wenn eine Schnellladestation als Ziel im Navi eingegeben ist, gibt es beim MG nicht – schade, das wäre eine praktische Ergänzung. 

MG4 Electric: Die Batterie scheint aus liegenden prismatischen Zellen zu bestehen

Die 64 kWh große Batterie der Luxury-Version hat eine NMC-Chemie (Nickel, Mangan, Cobalt in der Kathode) und besteht aus 104 Zellen. Das obige Bild zeigt flach übereinander liegende Zellen vom prismatischen Typ. Sie werden in Cell-to-Pack-Bauweise (das heißt ohne Module) direkt zu einem Batteriepaket zusammengebaut, das auch Stabilitätsaufgaben übernimmt. Diese Bauweise dürfte zumindest zum Teil für das geringe Fahrzeuggewicht von unter 1,7 Tonnen verantwortlich sein.

Stromverbrauch und Antrieb

Der Stromverbrauch der Luxury-Version liegt bei 16,6 kWh nach WLTP-Norm. Wir kamen bei unserer Testfahrt sogar auf 16,4 kWh/100 km, allerdings bei einer angezeigten Durchschnittsgeschwindigkeit von nur 36 km/h – wir fuhren zwar eine längere Autobahnetappe mit 120 km/h, mussten zum Fotografieren aber auch öfter rangieren.

MG4 Electric: Stromverbrauch nach 130 km Fahrt

Stromverbrauch nach 130 km Fahrt

MG4 Electric: Einstellung von Fahrmodus und Rekuperationsstärke

Einstellung von Fahrmodus und Rekuperationsstärke

Die Rekuperation lässt sich über den Touchscreen in den Stufen schwach, mittel, stark und adaptiv einstellen. "Stark" ist der Startmodus; darin kommt man in der Stadt fast ohne Bremspedal aus, echtes One-Pedal-Driving bis zum Stillstand bietet der Wagen aber nicht – es gibt einen Kriechgang mit etwa 5 km/h.

Der 150-kW-Antrieb bietet jederzeit genug Kraft, wobei wir allerdings aufgrund der Tempolimits maximal 120 km/h fuhren. Auf kurvigen Strecken macht das Fahren durchaus Spaß, der Wagen wirkt für ein Elektroauto agil und das Fahrwerk (mit Mehrlenker-Hinterachse) scheint gut abgestimmt zu sein – mit einem Tick Härte, ohne unkomfortabel zu wirken.

Für die Landstraße empfiehlt sich der Fahrmodus Sport, in dem vor allem die Lenkung direkter wird. Generell ist die Lenkung recht stark servounterstützt, was uns aber keineswegs störte – im Gegenteil, die Lenkung älterer BMWs finden wir oft zu schwergängig und teigig. 

Preise und Marktstart

Den MG4 Electric kann man bereits bestellen; der Konfigurator gibt "ab 9 Monate" Lieferzeit an. Allerdings gibt es hier Spielraum: Wenn man bei der Farbe und der Version etwas flexibel ist, kann man das Auto auch noch dieses Jahr erhalten, heißt es bei MG. Wer eine ganz bestimmte Variante möchte, erhält seinen MG aber erst im Jahr 2023. Damit bekommt man nicht mehr die aktuelle Förderung. Immerhin garantiert MG, dass der Herstelleranteil an der Förderung von 3.570 Euro auch 2023 noch abgezogen wird, wie wir auf Nachfrage erfuhren.

Die Preise beginnen bei 31.990 Euro vor Förderung. Dafür erhält man die 125 kW starke Basisversion ("Standard"), die 350 km nach WLTP-Norm schafft. Für 35.990 Euro gibt es die Version "Comfort" mit 150 kW Antriebsleistung und größerer Batterie (62 statt 51 kWh) für 450 km Reichweite. Die gleiche Motorisierung und Batterie bietet die gefahrene Version "Luxury", die es für 37.990 Euro gibt. Zur Serienausstattung gehören hier unter anderem auch eine Wärmepumpe und elektrisch einstellbare Sitze.

Fazit 

Der MG4 Electric ist dem chinesischen Hersteller wirklich gelungen. Antrieb und Reichweite sind zum Beispiel weit überzeugender als beim Renault Megane Electric. Der VW ID.3 allerdings hat dem MG4 noch die größere Maximalreichweite von 556 km (in der Version Pro S mit 77-kWh-Batterie) voraus. Doch MG hat ebenfalls einen 77-kWh-Akku für über 500 km Reichweite angekündigt – damit entfällt auch dieses Argument.

Möglicherweise lässt sich diese dann auch mit ähnlich viel Leistung laden wie bei VW (170 kW). Der Ladetest zeigte aber, dass man auch den 64-kWh-Akku des MG4 Luxury in deutlich unter 30 Minuten von 10 auf 80 Prozent bringen kann.

Das größte Manko des MG4 sind die ruppig agierenden Assistenzsysteme und die schlechte Ablesbarkeit des Touchscreens – diese Patzer könnten mit Over-The-Air-Updates behoben werden. Das größte Plus des gefahrenen MG4 Luxury ist der Preis von rund 38.000 Euro: Der etwa gleich teure VW ID.3 Pro hat ähnliche Daten, aber deutlich weniger Serienausstattung.

Bildergalerie: MG4 Electric im Test

MG4 Electric Luxury

Motor 1 E-Motor hinten
Leistung 150 kW
Max. Drehmoment 250 Nm
Beschleunigung 0-100 km/h 7,9 Sek.
Höchstgeschwindigkeit 160 km/h
Verbrauch 16,6 kWh/100 km
Batterie 62 kWh netto (NMC)
Ladeanschluss CCS2 für bis zu 11 kW AC, bis 135 kW DC
Elektrische Reichweite 435 km (WLTP)
Aufladezeit 35 min mit DC (10-80%)
Länge 4.287 mm
Breite 1.836 mm
Höhe 1.504 mm
Leergewicht 1.685 kg
Zuladung 448 kg
Kofferraumvolumen 350–1.165 Liter
Anhängelast 500 kg
Basispreis 37.990 Euro