Vom Tesla Model 3 Highland habe ich nun schon sicher ein halbes Dutzend Testberichte gelesen. Jetzt war ich an der Reihe und durfte das Auto fahren. Durch einen glücklichen Zufall genau einen Tag vor meiner Testfahrt mit dem VW ID.7, was Vergleiche ermöglichte.
Um 10 Uhr morgens stehe ich bei Tesla in München-Freiham am Counter und checke für die Testfahrt ein – meine allererste Fahrt mit einem Tesla. Mit Julia gehe ich hinaus auf den Parkplatz und lasse mir die pechschwarze Limousine erklären. Schon die Sache mit dem Aufschließen ist speziell: Als Besitzer braucht man nur das Handy mit installierter Tesla-App in der Tasche haben. Mir hat man stattdessen eine NFC-Karte gegeben – die muss ich an die B-Säule halten und danach in die Konsole zum Handy-Aufladen legen.
Das Türöffnen braucht etwas Übung
Bedienung: Vor allem das Blinken nervt
Die Türgriffe des Model 3 sind zwar bündig, aber man bedient sie manuell: Sie fahren nur aus, wenn man mit dem Daumen auf den rechten Part drückt. Dann spreizt sich der Rest der Klinke ab und man kann die Tür öffnen.
Vor dem Losfahren sollte man unbedingt die Grundeinstellungen tätigen. Der Sitz wird zwar wie üblich links unten mit Schaltern eingestellt, Außenspiegel und Lenksäule aber über den Touchscreen. Wer später nachjustieren will, sollte rechts ranfahren – das Einstellen per Screen lenkt enorm ab. Sogar das Handschuhfach muss über den Touchscreen geöffnet werden.
Blinken mit dem linken Daumen
Die Fahrtrichtung wird mit dem Slider am Touchscreen bestimmt
Gestartet wird das Auto, indem man auf die Bremse tritt. Dann muss man mit einem Slider links am Touchscreen D oder R wählen. Eigentlich sollte das Auto das auch automatisch tun, zumindest wenn man mit Front oder Heck an eine Mauer herangefahren ist. Funktioniert hat das bei mir allerdings nur sporadisch – so wollte das Auto zum Beispiel nach dem Laden am Supercharger nach hinten auf die Ladesäule zu fahren, statt nach vorn aus der Parklücke heraus. Um das Auto abzuparken, drückt man am Touchscreen links oben auf "P" und verriegelt den Wagen, indem man die Karte an die B-Säule hält – mit dem Handy klappt das angeblich automatisch.
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Tasten fast nur noch am Lenkrad
Das Interieur des Model 3 sieht schön aufgeräumt aus, und auch die Materialqualität stimmt nun. So gibt es schicke Stoffbespannungen oben auf dem Armaturenbrett und an den Tür-Innenseiten. Doch im Cockpit hat Tesla offenbar alles eliminiert, was Geld kosten könnte. Tasten gibt es nur am Lenkrad und zum Sitzeinstellen. Auch das Instrumentendisplay wurde eingespart.
Beim Fahren muss man deshalb immer leicht nach rechts unten gucken, um das Tempo oder die Navigationshinweise zu sehen. Da der Weg für die Augen nicht weit ist, ist das aber kein großes Problem. Dagegen nervt das Blinken mit dem linken Daumen. Vor allem, wenn das Lenkrad verdreht ist, und man beim Ausfahren aus dem Kreisverkehr blinken will.
Schön aufgeräumt: Das Cockpit
Während man das noch als Ärgernis betrachten kann, wird es an anderen Stellen sicherheitsrelevant. So besteht der Totwinkelwarner nur aus einem winzigen roten LED-Pünktchen an der A-Säule, das man leicht übersehen kann. Erfahrene Tesla-User nutzen besser das Bild der Totwinkel-Kamera, das beim Blinken am Touchscreen erscheint. Zumindest Tesla-Anfängern wie mit fallen diese Bilder aber erst auf, wenn der Spurwechsel abgeschlossen ist. Und der Schalter für die Warnblinkanlage sollte definitiv am Touchscreen sein – in der Dachkonsole findet ihn kein Neuling.
Winziger Totwinkelwarner an der A-Säule
Sprachbedienung hat der Tesla auch, sie wird aber nicht über "OK Tesla" gestartet, sondern per Knopf am Lenkrad. Kein Nachteil, wenn ich mit dem ID.7 vergleiche, denn dort kann man die Assistentin namens Ida zwar mündlich zum Arbeiten auffordern, aber sie fühlt sich zwischendurch immer wieder angesprochen, obwohl sie nicht gemeint war. Ein Manko ist aber, dass es vorn im Model 3 nur eine USB-C-Schnittstelle gibt; hinten sind es zwei.
Die Google-Earth-Kartenanzeige am Touchscreen sieht toll aus. Auch die Navigation funktioniert prächtig: Als ich habe Marseille als Reiseziel eingebe und erhalte ich in Windeseile eine komplette Ladestrategie, die allerdings nur kurz angezeigt wurde.
Starke Rekuperation und extrem sparsam
Fahren tut das Model 3 gut. Es beschleunigt angenehm flott, das Auto wirkt fast schneller als der 6,1-Sekunden-Sprint vermuten lässt. Zum Losfahren ist es besser, wenn man die Gasannahme auf "lässig" (statt auf Standard) gestellt hat, dann fährt das Auto flüssig los und ohne unangenehmen Ruck.
One-Pedal-Driving ist Standard. Die Rekuperation ist allerdings geschwindigkeitsabhängig: im Stadtverkehr richtig stark, bei hohem Tempo geringer – so soll es sein. Einstellen kann man anders als beim Vor-Facelift-Modell nichts mehr, was für mich kein Nachteil ist. Man muss halt ein klein wenig üben, bis man den richtigen Punkt gefunden hat zum Gas-Wegnehmen, um ohne Bremspedal genau an der Ampellinie zu halten.
Auf unserer 179 km langen Testfahrt (Trip A) brauchten wir nur 137 Wh/100 km
Der Stromverbrauch ist erstaunlich gering: Auf meiner rund 180 km langen Fahrt im Münchner Süden – über Landstraßen und Autobahn, bei in der Regel 80 bis 120 km/h – brauchte ich gerade mal 13,7 kWh/100 km. Mit dem (zugegebenermaßen größeren) VW ID.7 mit 210 kW brauchte ich auf vergleichbaren Strecken gleich 19 kWh.
Aufladen am Supercharger: Easy
Obwohl das anfangs voll geladene Auto mit der relativ kurzen Fahrstrecke unterfordert war, wollte ich unbedingt auch mal versuchsweise aufladen. Ich gab den Supercharger in München-Brunnthal als Navi-Ziel ein. Bald begann der Wagen zu summen und zu brummen: Der Grund wird am Touchscreen angezeigt: Der Motor wird auf ineffizient gestellt und wärmt so die LFP-Batterie meines Hecktrieblers vor. Die meisten Konkurrenten machen das mit einem Heizelement, aber Tesla spart sich das Teil lieber.
Bei 63% SoC 81 kW Ladeleistung
Bei 82% SoC immerhin noch 56 kW
Am Supercharger dann ging es sehr einfach: Ich fahre rückwärts bis fast an die Säule – das Kabel ist relativ kurz. Steige aus, drücke den Knopf am CCS2-Ladestecker, und der Ladeslot links hinten am Rücklicht öffnet sich. Stecker rein, und los gehts. Ich kam an mit 59% SoC an und lud mit 90 kW. Selbst bei 82% SoC waren es noch 58 kW – ziemlich gut für eine fast volle Batterie.
Die Ladezeit kann man sich mit den zahlreichen eingebauten Gimmicks vertreiben. Romantisch Veranlagte schalten ein digitales Lagerfeuer ein, Kindische bringen die Mitfahrenden lieber mit dem "Furzkissen" zum Lachen, außerdem gibt es diverse Arcade-Spiele und man kann Youtube-Filme ansehen.
Das romantische Kaminfeuer knistert sogar
Fahrwerk, Lenkung und Sitze
Bei Fahrwerk und Lenkung bin ich im Vergleich mit anderen nicht empfindlich: Nur wenn es bei einem Auto ganz schlimm ist, hab ich was auszusetzen. Das Model 3 ist für meinen Geschmack ein klein wenig schaukelig abgestimmt, was man merkt, wenn man bei Tempo 80 hin und her lenkt. Aber wirklich nicht schlimm. Unebenheiten schluckt das Fahrwerk recht gut. Auch an der Lenkung hab ich nicht viel auszusetzen – manchmal kam sie mir (sogar in der Comfort-Einstellung) ein wenig zu nervös vor.
Die Sitze sind mit der Hand "knautschbar", bieten aber guten Seitenhalt – zumindest auf Flachlandfahrten – Pässe mit Haarnadelkurven bin ich nicht gefahren. Die Möbel wirken auch recht bequem. Im Fond ist die Kopffreiheit für mich als 1,76 Meter großen Sitzriesen noch ausreichend; über meinem Scheitel bleiben immerhin etwa drei Zentimeter. Über mir spannt sich ein riesiges Glasdach, das bis ganz hinten reicht. Über den Vordersitzen gibt es ein zweites Glasdach. Auch die Kniefreiheit ist ausreichend, aber lang nicht so üppig wie im fast 30 cm längeren ID.7.
Der Kofferraum bietet nur eine kleine Öffnung. Ich habe 45 mal 104 cm gemessen. Ein Fahrrad in diese Öffnung hineinzukriegen, dürfte schwer sein, selbst mit parallel gestelltem Lenker. Leser Stefan J. schrieb uns, sein großes E-Gravelbike würde hineinpassen. Deutlich einfacher wird wohl das Hineinheben in einen ID.7 (oder BMW i4 oder Polestar 2) sein, denn die haben den Vorteil einer großen Heckklappe.
Fazit
Das Tesla Model 3 mit Heckantrieb fährt prima. An Antrieb, Fahrwerk und Lenkung habe ich nichts auszusetzen, genauso wenig am Ladeverhalten. Der Touchscreen ist gut, die Menüpunkte einigermaßen verständlich (oder zumindest erhält man per Tipp auf das Informations-Symbol eine Erklärung). Die Navigation inklusive Ladeplanung funktioniert super.
Nur die Bedienung, die ist mau. Nach immerhin 180 Test-km glaube ich nicht, dass man sich an das Blinken mit dem linken Daumen gewöhnt. Auch dass man für viele Einstellungen (vor allem Außenspiegel, Licht, Scheibenwischergeschwindigkeit) den Touchscreen braucht, ist kein Ruhmesblatt.
Der zweite Minuspunkt am Model 3, und definitiv der Grund, warum es kein Auto für mich ist, besteht in der kleinen Kofferraumöffnung. Ein Auto, mit dem ich meinen alten Bürostuhl nicht zum Sperrmüll fahren oder mein Trekkingrad transportieren kann, ist für mich unnütz. Aber das mag bei Ihnen anders sein, vielleicht brauchen Sie den Kofferraum nur für Einkaufstüten.
Bildergalerie: Tesla Model 3 Highland im Test
Tesla Model 3 (RWD)