Wenn man an Jeep denkt, denkt man an kantiges Design, Allrad, Untersetzungen, Leiterrahmen, Starrachsen und natürlich an einen kräftigen Verbrenner, der hinter den sieben ikonischen Kühlergrillrippen werkelt. Auftritt Avenger. Das erste gänzlich neue Jeep-Produkt seit der Fusionierung von FCA und PSA zum Stellantis-Konzern. Ein kleines schickes SUV. In Deutschland nur vollelektrisch erhältlich. Uff. Ist das noch Jeep? Wir machen den Test!

Was ist das?

Auch wenn Jeep erst seit der Stellantisierung auf PSA-Plattformen zurückgreifen kann, darf der kleine Strom-Jeep jetzt als erstes Auto auf der weiterentwickelten e-CMP2-Plattform aufbauen. Heißt: Er fährt seinen Geschwistern um Peugeot e-2008 und Opel Mokka Electric (zuvor Mokka-e) oder dem technisch schon einmal einen kleinen Schritt voraus. Zumindest solange, bis auch die Konzern-interne Konkurrenz seine Produkte faceliftet. So wie beispielsweise DS Automobiles mit dem DS 3 E-Tense.

Jeep Avenger (2023) im Test
Jeep Avenger (2023) im Test

Der Unterschied liegt in einem neuen E-Motor an der Vorderachse. Zum Einsatz kommt nun M3 vom Stellantis-Nidec-Joint-Venture Emotors anstatt wie zuvor EMR3 von Vitesco. Die Leistung steigt von 100 kW (136 PS) auf 115 kW (156 PS). Das Drehmoment liegt weiterhin bei 260 Nm. Der Akku wächst von 50 auf 54 kWh (brutto). Damit lässt sich dann theoretisch eine WLTP-Reichweite von bis zu 404 km erreichen.

Die Batterie kommt von der chinesischen Firma CATL. Mit NMC-Chemie (Nickel-Mangan-Kobalt), die in Zukunft allmählich durch Stromspeicher mit LFP-Chemie (Lithium-Eisen-Phosphat) ersetzt wird, um die Preise zu senken und die Verkaufszahlen dadurch zu erhöhen. So wünscht sich das Stellantis zumindest.

Bei den Abmessungen (4,08 Meter lang, 1,72 Meter breit und 1,53 Meter hoch), dem Gewicht (rund 1,5 Tonnen) und der Raumausnutzung (fünf Sitzplätze, im Fond gerade noch ausreichend Platz und 355 Liter Kofferraumvolumen mit doppeltem Ladeboden) kann der neue Avenger allerdings mit keinem USP auftrumpfen. Die elektrische B-Segment-Konkurrenz hat stets die ungefähre Länge, Breite und Höhe, die selben Pfunde auf den Hüften und genauso viel (oder wenig) Raum wie der Jeep.

Allerdings fehlt ihnen das althergebrachte Jeep-Design. Allen. Klar so ein Mokka Electric ist mit seinem modernen Vizor schon ziemlich mantamäßig gestaltet, ein DS 3 versprüht französischen Luxus und der Peugeot e-2008 schafft den Spagat zwischen grimmigen wie freundlichen Gesichtszügen.

Jeep Avenger (2023) im Test

Aber so richtig konsequent auf eine Designhistorie greift keine der genannten Marken zurück. Und das macht der Jeep Avenger irgendwie schon. Auch wenn es vor allem für alteingesessene Fans der Marke sicher einen zweiten, dritten oder hundertsten Blick braucht, um sich gedanklich darauf einzulassen.

Wie fährt er sich?

Noch ist der Jeep Avenger ein Auto ohne Allradantrieb. Ein Fronttriebler. Buh. Mit Frontmotor. Doppel-Buh. Eine 4x4-Version soll aber kommen. Die Studie 4xe Concept, die auf dem Pariser Autosalon stand, kündigte dies bereits an. Ob es sich dabei allerdings um ein vollelektrisches Modell handeln wird, lässt Jeep bislang offen.

Jeep Avenger (2023) im Test

Eigentlich steht das Akronym "4xe" bei dem Hersteller für Modelle mit Plug-in-Hybrid. Und eine Verbrenner-Variante, die sich um elektrische Komponenten erweitern ließe gibt es ja bereits. Wenn auch nur in ausgewählten europäischen Märkten.

Aber kommen wir zu den Fahreigenschaften des stromernden Viermalzwei-Modells. Auch das hat mit 20 cm schon eine recht hohe, für Jeep aber gerade noch angemessene Bodenfreiheit. Außerdem wurden die Fahrmodi "Eco", "Normal" und "Sport" für die Straße um "Sand", "Mud" und "Snow" erweitert. Eine Bergabfahrhilfe gibt es ebenfalls.

Mehr als schlechter Feldweg war bei unserer ersten Probefahrt aber nicht drin. Doch das kann er. Ohne Einschränkungen. Grip fehlt zwar hier und da, aber auf dem Weg zum Kindergarten oder dem Supermarkt wird man ja auch eher selten unbefestigte Wege befahren oder gar Flussfurten meistern müssen.

Jeep Avenger (2023) im Test
Jeep Avenger (2023) im Test
Jeep Avenger (2023) im Test

Was das Fahren auf der Straße betrifft, so ist die Lenkübersetzung des elektrischen Avenger auf die Bodenfreiheit abgestimmt und arbeitet halbwegs präzise, aber vor allem sehr leichtgängig. Die Dämpfung bei kurzen Unebenheiten ist etwas hart, aber bei langen Bodenwellen stellt sich ein gewisser Grundkomfort ein. Auch die Wankbewegungen werden gut kontrolliert – wenn man es bei schnellen Kurvenfahrten nicht übertreibt.

Die Leistungsentfaltung ist angenehm rund. Brutalen Elektroauto-Punch kann man zwar nicht erwarten (auch nicht im Sport-Modus), aber zum flott noch eine Lücke im fließenden Verkehr nutzen, reicht es allemal. Von 0 auf 100 km/h geht es laut Datenblatt übrigens in akzeptablen 9 Sekunden.

Auf eher niedrigem Komfortniveau arbeitet die Bremse: Der Übergang vom elektrischen regenerativen Bremsen zum Eingriff des mechanischen Bremssystems ist ziemlich abrupt. Es ist nicht gerade leicht, diesen Punkt mit dem gefühllosen Pedal herauszuarbeiten. Ein weiterer verbesserungswürdiger Aspekt des Avenger ist die 180°-Ansicht der Rückfahrkamera, die nicht sehr intuitiv ist (und Parksensoren gehören nicht bei allen Versionen zur Standardausstattung).

Bildergalerie: Jeep Avenger mit Mopar-Zubehör (2023)

Spurhalteassistenz, automatische Notbremsung und Müdigkeitswarner gehören aber zur Serie und arbeiten solide. Der adaptive Tempomat und die Tote-Winkel-Sensorik ebenfalls. Beides ist aber den höheren Ausstattungsvarianten vorbehalten. Oder muss extra bezahlt werden.

Der Verbrauch lag bei der Testfahrt zwischen 12 kWh/100 km und 22 kWh/100 km. Am Ende spuckte der Bordcomputer einen Durchschnitt von 17,4 kWh/100 km aus. Bei einer nutzbaren Akku-Kapazität von 51 kWh errechnet sich daraus eine Reichweite von rund 290 km. Allerdings ohne Tempolimit-freie Autobahnen und bei rund 20 Grad Celsius.

Bei winterlichen Temperaturen und freier Fahrt (maximal sind 150 km/h möglich) dürfte die maximale Reichweite wohl eher bei 200 km liegen. Der Jeep kann mit bis zu 11 kW AC und bis zu 100 kW DC aufgeladen werden und benötigt laut Herstellerangabe 24 Minuten, um am Schnelllader von 20 auf 80 % zu kommen.

Wie gestalten sich Bedienung und Innenraum?

Der Innenraum des elektrischen Avenger trumpft mit Praktikabilität. Sowohl bei der Gestaltung als auch bei der Materialwahl. Das Handschuhfach vor dem Beifahrer ist sehr tief, das zusätzliche Fach in der Mitte des Armaturenbretts ist praktisch halb so breit wie der Fahrgastraum, und die Ablagefächer auf dem Mitteltunnel sind ebenfalls gut genutzt. Angefangen bei verstellbaren Becherhaltern bis hin zum Steckplatz für das Handy zum kabellosen Laden. Insgesamt können so 34 Liter verstaut werden.

Weiter hinten befinden sich die Wahlschalter für die bereits erwähnten Fahrmodi und weiter vorne die vier Knöpfe zur Gangwahl mittels P, N, R, D/B. Alles ausgeführt in robusten Materialien. Abwaschbar. Jeep-Flair. Um es positiv auszudrücken. Sieht gut aus, fasst sich so mittelgut an.

Jeep Avenger (2023) im Test

Die digitale Instrumentierung hinter dem Lenkrad misst 10,25 Zoll und verfügt über leicht abruf- und einstellbare Informationsanzeigen: Die Einstellung geschieht über zwei Tasten an den Hebeln der Lenksäule sowie über die Tasten am Lenkrad zur Steuerung des Geschwindigkeitsreglers und -begrenzers oder des Radios, der Musiktitel, der Lautstärke, des Sprachassistenten sowie des Telefons.

Der Bildschirm in der Mitte des Armaturenbretts ist ebenfalls gut strukturiert und auch 10,25 Zoll groß, die Navigation durch die verschiedenen Menüs ist einfach und übersichtlich. Und es gibt darunter auch noch ein paar physische Tasten, um die wichtigsten Funktionen aufzurufen oder die Klimaanlage zu steuern.

Das Navigationssystem auf Tom Tom-Basis ist allerdings eher mittelmäßig. Weil … langsam und manchmal etwas ungenau. Zum Glück kann man aber das Smartphone kabellos via Apple CarPlay und Android Auto koppeln.

Jeep Avenger mit Mopar-Zubehör (2023)

Was muss man bezahlen?

Der elektrische Jeep Avenger beginnt bei einem Preis von 37.000 Euro für die Einstiegsversion. Dann hängt man sich aber eine ziemlich magere Angelegenheit auf radkappenlosen Stahlfelgen an die heimische Wallbox. Serienmäßig ist DAS wichtigste Detail aber bereits. Die kabellose Smartphone-Integration. Es soll etwas mehr sein? Für die Longitude-Ausstattung sind schon 38.500 Euro fällig. Es folgen Altitude (40.500 Euro) und Summit (43.500 Euro).

Mittelfeld. Durchschnitt. Die Preisgestaltung passt also zum Konzept, zur Konkurrenz und ins Konzerngefüge. Aber auch wenn Sie das Stellantis-Universum verlassen und in Richtung Smart #1 oder Kia Niro EV blicken, sind die zu investierenden Euros nur etwas zahlreicher. Allerdings gibt’s dort noch mehr Blech, größere Batterien und auch mehr Leistung.

Fazit

Auf einem halsbrecherischen Trail in Moab wird man diesen Jeep wohl nie zu Gesicht bekommen. Aber ins Gelände könnte man sich doch mal trauen. Und wenn es nur der Ausflug auf den Wanderparkplatz im Voralpenland ist. Da sieht der Avenger dann schon glaubwürdiger aus als ein DS 3 oder ein Opel Mokka.

Wenn Sie also noch einen kleinen elektrischen Freund für Ihren Wrangler suchen, damit dieser als Erstwagen in der Garage nicht so einsam ist, würde dieser Jeep schon ganz gut als optisches Beiwerk passen. 

Bildergalerie: Jeep Avenger (2023) im Test

Jeep Avenger (2023)

Motor 1x Elektromotor
Getriebeart 1-Gang-Automatik
Antrieb Frontantrieb
Leistung 115 kW (156 PS)
Max. Drehmoment 260 Nm
Beschleunigung 0-100 km/h 9,0 s
Höchstgeschwindigkeit 150 km/h
Verbrauch 15,3 – 15,9 kWh/100km (WLTP) / 17,4 kWh/100km (Testverbrauch)
Elektrische Reichweite 404 km (WLTP) / 290 km (realistische Einschätzung)
Batterie 51 kWh (netto) / 54 kWh (brutto)
Aufladezeit 5:34 h (11 kW, 0-100%) / 24 min (100 kW, 20-80%)
Ladeanschluss Type 2 / CCS
Länge 4.084 mm
Breite 1.776 mm
Höhe 1.528 mm
Leergewicht 1.536 kg
Anzahl der Sitze 5
Kofferraumvolumen 355 l
Basispreis 37.000 Euro