Ehrlich gesagt möchte ich nicht zu viel darüber nachdenken, was Menschen künftig während der Fahrt mit ihren Händen machen werden, wenn sie sie nicht mehr um ein Lenkrad schlingen müssen. Fakt ist aber: Sie müssen es bald nicht mehr. Zumindest im neuen 5er und i5 nicht. Das war die große Bombe, die BMW platzen ließ, als sie uns zum Vorserien-Test ihrer neuen Business-Limo antreten ließen. Ach ja, und man steuert das Auto jetzt mit den Augen.

Weltpremiere beim Selbstfahren

Moment, WAAAAS??? Wagner, was erzählst du da? Bis du bekloppt? Langsam reiten! Ich kann das erklären. Denn ich habe gerade wirklich einfach in den linken Außenspiegel geglotzt und dann ist der i5, in dem ich saß, von ganz alleine auf die linke Spur gefahren. 

Wir sind auf einer Autobahn in der Nähe des BMW-Testcenters im französischen Miramas nahe Marseille. Daniela Kern, Leiterin funktionale Gestaltung und Integration automatisiertes Fahren, sitzt neben mir und bittet mich per Taster am Lenkrad den Assist Plus-Modus einzuschalten. Der beinhaltet die ganze neue Magie, soll aber, anders als etwa das Level-3-Autonomie-Paket in einer Mercedes S-Klasse, erschwinglich bleiben. 

Wenn das Lenkrad im Instrumentendisplay grün leuchtet, können die Hände weg vom Volant. "Bisher hatten wir ja die kapazitiven Lenkräder zur Überwachung", sagt Kern. "Jetzt checkt eine Kamera im Instrumentendisplay deine Augen. Sind die nicht auf die Straße gerichtet, kommt es zur Warnung. Deshalb haben wir es hier auch noch mit Level-2-Plus-Autonomie zu tun. Du musst schon noch aufmerksam bleiben."  

BMW i5 (2023) PreDrive
BMW i5 (2023) PreDrive

Trotzdem ist es irgendwie ein sehr cooles Gefühl, die Hände einfach in den Schoß zu legen. Und entspannender als gedacht. Bleibt natürlich die Frage, ob man auf längeren Etappen nicht schneller einzuschlafen droht, wenn man gar nichts mehr machen muss. Das Ganze funktioniert auf Autobahnen bis zu einem Tempo von 130 km/h. 

Fährt man schneller als der Verkehrsteilnehmer vor einem und erkennt das System auf der Nachbarspur eine Lücke, bietet es im Display den Spurwechsel an. Dann einfach in den entsprechenden Außenspiegel blicken und der 5er/i5 erledigt den Rest. Bei meinem Test funktionierte das einwandfrei. Die Lücke muss allerdings schon recht groß sein. Im dichten Verkehr wird Stand jetzt weiterhin Handarbeit gefragt sein. 

Je zwei Mal bietet einem der 5er den automatischen Spurwechsel an. Reagiert man nicht, zieht er das Angebot ohne Murren zurück. Man kann auch nach wie vor per Tipp auf den Blinkerhebel den Spurwechsel einleiten. Bewegt man sich auf eine Ausfahrt zu, übergibt Assist Plus die Steuerung des Autos wieder vollständig an den Fahrer. 

BMW nennt seinen automatischen Spurwechsel per Augen-Aktivierung eine Premiere in der Industrie und das neue Gimmick hat zweifelsfrei das Potenzial zum "show stealer". Die gerade neu vorgestellte Mercedes E-Klasse jedenfalls kann das nicht. 

Weiteren Assistenzsysteme-Glamour versprüht die achte 5er-Generation durch die Augmented-Reality-Navigation im Instrumentendisplay und all die automatischen Einparkfunktionen aus dem 7er, die hier auch per App von außen steuerbar sind. 

7er-Plattform und alle Antriebskonzepte

Apropos 7er: Die Plattform übernimmt der neue 5er vom großen Bruder. Mit ein wenig Übersetzungsarbeit von der Luxus- in die obere Mittelklasse, versteht sich. Aber die Münchner bleiben sich mit ihrem fast schon exotischen Ansatz treu, drei Autos (Verbrenner, Plug-in-Hybride und reine Elektriker) in eine gemeinsame Hülle zu stopfen. 

Was technische Daten betrifft, sind sie heute, gut sechs Monate vor Marktstart, noch ein wenig schmallippig. Ein bisschen größer wird er, heißt es. Ein bisschen steifer natürlich auch. Und der cW-Wert sinkt auf 0,23. Da helfen auch der verkleidete Unterboden und neue Räder, die durchweg aerodynamisch optimiert sind. 

BMW i5 (2023) PreDrive

Der neue i5 40e im Profil

BMW i5 (2023) PreDrive

Chefreporter Wagner im Gespräch mit den BMW-5er-Leitern Andreas Holzinger (rechts) und Jochen Balling (links)

Vorne gibt es Doppelquerlenker, hinten eine Fünflenker-Achse. Von der Solidität und dem Komfort des 7ers sei man schon gar nicht so weit weg, sagt Jochen Balling, Leiter Anforderung, Konzepte und Integration Fahrdynamik. Aber bei Präzision, Agilität und Sportlichkeit habe man hier noch eine Riesen-Schippe drauflegen können. „Fast der Komfort wie ein 7er, aber fährt sich wie ein 3er“, dringt in diesem Zusammenhang auch noch an mein Ohr.

Das können Sie zum Teil Größe und Gewicht in die Schuhe schieben, aber das meiste ist halt schlicht Applikation. Federn, Dämpfer, Sturzwerte, Lenkung. Letztere ist auch gegenüber dem alten 5er „deutlich direkter ausgeführt“ und mit variabler Lenkübersetzung jetzt schon ab der Basis.

Die Abstimmungsarbeit ist Plattform-bedingt natürlich ein monströser Spagat. Im Verbrenner hast du halt .. naja .. nen Verbrenner. In den Plug-in-Hybriden und den elektrischen i5 bestehen große Teile des Bodens aus Batterie. Das ist sehr steif, weshalb man auch Vorder- und Hinterwagen steifer anbinden muss, um einen harmonischen Steifigkeitsverlauf ins Fahrzeug zu bringen. Sonst wird's unordentlich beim Fahren. 

Und wo wir schon bei den Antrieben sind: Beim heutigen Vorserien-Test wird rein elektrisch aufgetischt. Sie wissen es, das ist ein Novum beim 5er. Die beiden i5 sind "Gen5", wie die BMWler ihren aktuellen E-Baukasten nennen. Das ist ja von i4, iX und i7 weitgehend bekannt. "Aber seien Sie mal gespannt auf den i5 M60, mein absoluter Favorit", sagt Andreas Holzinger, Leiter der 5er-Baureihe. "Ja, Gen5, aber da ist alles rausgekitzelt, was geht."

So richtig viel an Daten erfahre ich heute nicht. Außer dass der M60 440 kW (598 PS) haben wird und (vorläufige) Reichweiten zwischen 436 und 516 Kilometer. Der i5 40e wird es auf 250 kW (340 PS) und 468 bis 582 Kilometer bringen. Batteriegrößen? Später irgendwann. Immerhin kriege ich durch ein bisschen Nachbohren noch raus, dass man die 195 kW, mit der der i7 maximal auflädt, im i5 übertreffen wird. 

BMW i5 (2023) PreDrive

i5 40e

BMW i5 (2023) PreDrive

i5 M60

Komplettes Schweigen im Walde dagegen, was die Verbrenner und die Plug-in-Hybride betrifft. Ich tippe mal auf je zwei Benziner und Diesel, einen mit Vier-, einen mit Sechszylinder. Dazu wird es wohl zwei oder drei PHEVs geben - ebenfalls mit vier und sechs Zylindern. Aktuelle Plug-in-Speerspitze im 7er ist ja der 760e xDrive mit 571 PS. Im M-SUV XM 50e wird es die Kombo aus 3,0-Liter-Reihensechser und 197-PS-E-Motor ab 2024 mit 475 PS geben. Irgendwo in diesem Spektrum dürfte sich auch der Top-5er-PHEV einordnen. 

Ein M5 mit V8-Plug-in-Hybrid und mindestens 650 PS dürfte nächstes Jahr folgen. 2024 kommt dann der 5er Touring. Und das auch als rein elektrischer i5. Einen E-Kombi haben die Bayern dann auch exklusiv.

Die Qual der Wahl

Was die beiden i5 fahrdynamisch aus der Hochglanz-Präsentation in die Realität rüber retten können, gilt es jetzt herauszufinden. Davor diktiert mir Fahrdynamiker Daniel Mögele aber noch sämtliche Fahrwerksoptionen ins Handy. Beim späteren Anhören im Büro komme ich mir vor, als hätte ich gerade den virtuellen Otto-Katalog aufgeschlagen – "Fahrwerke neuer 5er": Seite 821 – 957.

Versuchen wir’s trotzdem: Standard für Basis-Verbrenner ist ein Stahlfahrwerk ohne Verstelldämpfung. Dazu kommt optional ein M-Sport-Stahlfahrwerk ohne Verstelldämpfung mit 8mm Tieferlegung. Die PHEV und BEV erhalten ein Adaptivfahrwerk, das vorne mit Stahlfeder und hinten mit Luftfeder bestückt ist. Hier ist dann auch eine Hinterradlenkung dabei.

Der King Dingeling unter den Fahrwerken ist dem vorläufigen Topmodell i5 M60 vorbehalten. Nach und nach kriegen es auch alle 5er mit einer "50 aufwärts" auf dem Heckdeckel. Hier mach sich ein adaptives M-Fahrwerk (wieder mit Stahlfeder vorne und Luftfeder hinten) mit Hinterradlenkung und 48-Volt-Wankstabilsierung breit. 

Aller Logik nach (na gut, ich habe extra nochmal nachgefragt) ist der i5 40e, mit dem ich heute die fahrdynamische Tür ins neue 5er-Universum aufstoßen darf, also mit einem Adaptiv-Fahrwerk samt Hinterradlenkung ausgestattet. Außerdem lauert an seiner Hinterachse ein E-Motor mit 250 kW. An der Vorderachse lauert in diesem Fall nix, weswegen wir es mit einem reinen Hecktriebler zu tun haben. 5er wie man ihn seit jeher kennt, quasi. Ja, sorry, ich weiß, der war blöd.

Die Normalisierung des E-Autos

Ja und wie fährt er denn jetzt der 40e? Nun, er drückt natürlich sehr ordentlich, aber man hat sich inzwischen ja schon irgendwie dran gewöhnt, dass da wie aus der Pistole geschossen geantwortet wird, wenn man den Pin ein wenig streichelt. Die Beschleunigung hätte einen vor 2 Jahren noch zu Jubelstürmen hingerissen. Jetzt sagt man halt: Jap, passt. Aber geht da im Sport- oder Boost-Modus noch ein bissl mehr? Geht spürbar. Dennoch ist es in der elektrischen 250-kW-Business-Limo eher Freude über die spontanen Reaktionen als eine Angst vor körperlichen Schmerzen.

Insgesamt fühlt sich der i5 für mich tatsächlich eher an wie ein moderner, sehr leiser 5er und nicht wie ein Alien vom fernen Planeten Elektro. Erstaunlich normal auch im fahrdynamischen Kontext. Das ist positiv gemeint. Beim ein oder anderen E-Fahrzeug kriegt man ja gerne mal den Eindruck, da fährt ein seelenloses Brett, dass sich komplett auf seinen supertollen niedrigen Schwerpunkt verlässt. Oder aber als anderes Extrem ein lautloser Wal, der hilflos umherschwankt, weil sein Fahrwerk heillos mit seinem Vortrieb überfordert ist.

BMW i5 (2023) PreDrive

Der 40e versprüht dagegen angenehme 5er-Vibes. Ich bin mir sicher, dass er satter liegt und flacher handelt und sich weniger aufschwingt als ein Verbrenner-5er. Er ist ein gutes Stück steifer und hat – bah, ich kann es selber nicht mehr hören – einen niedrigeren Schwerpunkt. Aber er darf sich durchaus noch bewegen, wirkt nicht brettleben. Das ist gut.

In etwas radauiger gefahrenen Kurven merkt man folgendes: Die Vorderachse steht wie eine Eins, hinten schert nix aus. Sehr neutral, sehr flach. Das ist dann schon eher wieder E-Feeling. Leider hier auch ein bisschen in der Lenkung, die sich auf Zug, wenn das Auto lateral aufgeladen ist, etwas leer anfühlt. Aber gut, wir reden hier von einem i5 ohne "M" im Namen und nicht von einem Sportwagen.

Der i5 mit "M" im Namen (wenn auch nur einem kleinen "M") geht die Angelegenheit dagegen deutlich beherzter an. Im M60 gibt es zwei E-Motoren und Allrad. Ein Sperrdifferenzial im eigentlichen Sinne oder eine Einzelradansteuerung gibt es auch hier nicht. Das Thema wird über BMWs bekannte Aktornahe Radschlupfbegrenzung (ARB) geregelt. Dazu kommen performanter abgestimmte Federn und Dämpfer, mehr Sturz an den Achsen und wie erwähnt die elektronische Wankstabilisierung. 

Um so schöner, dass auch er sich mitteilen darf. Er hat Karosseriebewegung, er schwingt längs nach, wenn auch nur ganz kurz. Dann morpht er sich spürbar schneller und satter als der alte 5er wieder in einen Zustand Zen-artiger Beherrschung. Offenbar ein Verdienst der neuen Luftfeder und des komplett renovierten Fahrdynamik-Gehirns, welches Dämpfer und Stabis ins gemeinsame Gebet nimmt.

Die Qualität der Dämpfung, sowohl dynamisch als auch beim Komfort, entpuppt sich schnell als überragendes Feature des neuen i5. Ich superlative ungern nach einer Testfahrt mit einem Prototypen, aber wenn man erlebt, wie dieser 5er mit 140 Sachen über eine unebene Kuppe brettert (die Teststrecke in Miramas hat ziemlich fiese Überraschungen parat), voll ausfedert, komplett in die Knie geht und das Fahrwerk in Sekundenbruchteilen wieder steht wie ein Fels, da kann man nur beeindruckt sein. Kein Versetzen, kein Mini-Zug im Lenkrad. Nichts. Sauber. 

BMW i5 (2023) PreDrive
BMW i5 (2023) PreDrive

Am Limit ist die Lenkung informativer als beim i5 40e. So macht das Spaß. Das Auto ist voll auf Neutralität ausgelegt. Kündigt sich leicht an der Vorderachse an, bleibt dann aber sauber auf Kurs. Auch wenn man den brutalen Punch der gut 600-Elektro-PS voll ausnutzt. Das kann man oft und ziemlich früh in der Kurve tun, der M60 bleibt stabil, generiert lieber Vortrieb. Viel und lockerleicht. Man habe keine Driftschleuder bauen wollen, sagt Mögele. Das passe nicht zum Charakter eines elektrischen 5ers. 

Was mir wiederum am Charakter des M60 passt: Er fühlt sich an, wie ein sportlicher (zugegeben etwas schwerer) BMW mit den Vorzügen eines Elektroantriebs und nicht wie ein E-Auto, dass einfach nur sauschnell von 0-100 km/h beschleunigt. Das könnte auch Menschen abholen, die nicht unbedingt die größten Elektro-Fans sind.

Premiere im Mai

Dass der 5er optisch nicht so auf die Kacke hauen wird wie der 7er dürfte klar sein. Innen wird es dagegen mehr Ähnlichkeiten geben. Der neue 5er wird mit iDrive 8.5 arbeiten. Mehr dazu lesen Sie hier. Wie das alles letztlich in Fertig aussieht, erfahren wir am 24. Mai 2023, wenn BMW die Weltpremiere über die Bühne bringt. Die Produktion startet im Sommer, beim Händler stehen 5er und i5 dann im Oktober. 

Bildergalerie: BMW i5 (2023) PreDrive