Ist Wasserstoff im Pkw die Zukunft? So richtig mag man daran nicht mehr glauben. Zu oft wurden uns schon seriennahe Prototypen mit Brennstoffzelle vorgeführt oder gar für eine Probefahrt bereitgestellt. Ob F-Cell vor fast 20 Jahren bei Mercedes, h-tron bei Audi oder Hydrogen bei BMW. Mazda pumpte den Treibstoff sogar direkt in den Wankelmotor.
Käufliche Serienfahrzeuge sind rar, aktuell sind hier praktisch nur der Hyundai Nexo und der Toyota Mirai zu nennen. Doch beide werden massiv vom Hersteller subventioniert, um preislich im Rahmen zu bleiben und um überhaupt Kunden zu finden. Zulassungszahlen des Mirai und des Nexo in Deutschland 2023: 166 und 72.
Bildergalerie: BMW iX5 Hydrogen (2024) im Test
Das Henne-Ei-Problem
Denn nach wie vor ist das Henne-Ei-Problem existent: Es gibt in Deutschland nur 79 Wasserstoff (H2)-Tankstellen. Sie sind teuer zu bauen, da der H2-Treibstoff stark gekühlt gespeichert werden muss. Eine solche Tankstelle in eine konventionelle Station zu integrieren kostet ca. 1,2 Mio. Euro.
Gleichzeitig zögern Kunden wie Hersteller aber bei Wasserstoff-Autos. Warum diese anbieten, wenn es kaum Tankstellen gibt? Warum Tankstellen bauen, wenn es kaum Autos gibt? Die Katze beißt sich in den Schwanz, da kann die Politik noch so populistisch den Ausbau des H2-Netzes einfordern.
Beispiel gefällig? Hier ein O-Ton vom bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder: "Bayern ist Autoland. Der künftige Erfolg liegt aber in Innovation und Technologieoffenheit. Wasserstoff- und Brennstoffzellen-Technik sind dabei Schrittmacher. Wasserstoff hat Zukunft und Bayern ist führend bei der Elektromobilität. Dazu kommen nun synthetische Kraftstoffe und Wasserstoff. Wir investieren fast 500 Mio. Euro in Wasserstoff-Technologie mit einem Forschungszentrum und Wasserstoff-Tankstellen. Es braucht vom Bund aber dringend auch Wasserstoff-Netze in den Süden."
Und nicht nur das: Macht Wasserstoff nicht eher als Elektro-Alternative in schweren Lastwagen Sinn? Ganz zu schweigen vom aufwändigen Herstellungsprozess von H2, für den eine Menge Strom notwendig ist. Den man auch direkt im Auto zum Antrieb nutzen könnte. Reine Physik also. Sie sehen: Es gibt auch nach Jahrzehnten mehr als genug Fragezeichen.
Trotzdem forschen einige Automobilhersteller unverdrossen am Thema Wasserstoff und Brennstoffzelle weiter. Zumal bei der aktuellen Lage, in der noch offen ist, wohin sich die Antriebszukunft genau entwickelt. BMW ist so ein Autobauer.
Eine Pilotflotte aus rund 100 iX5 Hydrogen sind aktuell in Europa, Japan, Korea, China, den USA und dem Mittleren Osten im Einsatz. Das Ziel sei es, die Alltagstauglichkeit von Wasserstofffahrzeugen unter Beweis zu stellen und darüber hinaus wesentliche Erkenntnisse für die Entwicklung eines potenziellen Serienprodukts zu gewinnen.
BMW gibt sich technologieoffen
CEO Oliver Zipse sagte 2023: "Als vielseitiger Energieträger spielt Wasserstoff eine Schlüsselrolle auf dem Weg zur Klimaneutralität. Auch in der individuellen Mobilität wird er deutlich an Relevanz gewinnen. Für uns sind wasserstoffbetriebene Fahrzeuge die ideale Technologie, um batterieelektrische Fahrzeuge sinnvoll zu ergänzen und die Elektromobilität zu komplettieren."
Und weiter: "Es gibt nicht die 'One-Size-Fits-All-Lösung' für die Mobilität von heute und morgen. Unsere Welt ist vielfältig. Deswegen brauchen wir unterschiedliche technologische Lösungen. Zum einen, um den verschiedenen Bedürfnissen der Kunden gerecht zu werden. Zum anderen um die hoch differenzierten regulatorischen Anforderungen in den Ländern weltweit erfüllen zu können.
China setzt zwar in erster Linie auf reine Elektrofahrzeuge aber auch Plug-in-Hybride und Wasserstoff-Brennstoffzellen-Autos spielen bei der Dekarbonisierung der Mobilität eine Rolle. So fahren beispielsweise schon zahlreiche Taxis in Peking mit Wasserstoff als Energieträger.
Japan hat früh die Bedeutung von Wasserstoff erkannt. Dementsprechend gut kommt unser BMW iX5 Hydrogen an. Wir meinen, auch die Mobilität der Zukunft braucht neben dem batterie-elektrischen Antrieb mindestens ein zweites Standbein. Für uns ergänzen wasserstoff-elektrische Fahrzeuge die E-Mobilität auf sinnvolle Weise, wenn auch mit zeitlicher Verzögerung. Wasserstoff hat viel Potential.
Denn global gesehen und über alle Industrien hinweg sind wir bereits auf dem Weg in eine Wasserstoff-Gesellschaft. Bei BMW können wir uns sogar ein Serienangebot in der zweiten Hälfte des Jahrzehnts vorstellen. Auch für die NEUE KLASSE ist Wasserstoff perspektivisch als Antriebsform denkbar. Technologisch sind wir vorbereitet.
Nach vier Jahren Entwicklungsarbeit tritt das Fahrzeug- und Entwicklungsprojekt BMW iX5 Hydrogen in die nächste entscheidende Phase. Die Flotte von unter hundert Fahrzeugen wird im Anschluss international für Demonstrations- und Erprobungszwecke für verschiedene Zielgruppen eingesetzt."
Frank Weber, Mitglied des Vorstands der BMW AG, Entwicklung, ergänzt: "Durch unsere langjährige Forschungs- und Entwicklungsarbeit haben wir die Wasserstofftechnologie umfassend erschlossen. Mit der zweiten Generation der Brennstoffzelle im BMW iX5 Hydrogen haben wir die Dauerleistung der Brennstoffzelle mehr als verdoppelt, während das Gewicht und die Größe stark gesunken sind."
Unterwegs mit der Kleinserie
Einen dieser erwähnten iX5 Hydrogen durfte ich rund eine Woche lang im Alltag bewegen. Ein Abenteuer? Eine Revolution? Weder noch. Im Vorfeld hieß es, ein BMW-Ingenieur werde mich einweisen. Und so erwartete ich einen wilden Prototypen mit dicken Not-Aus-Schalter und rudimentärer Serienreife.
Von wegen. Wären nicht die hinweisende Beklebung außen und kleine Änderungen bei den Instrumenten im Cockpit, so könnte der Wagen ein ganz normaler BMW X5 sein. SUV, recht groß, ziemlich bequem. Und dank der Brennstoffzelle außerordentlich leise, einzig ein künstlicher Klang bei der Beschleunigung wurde implementiert. Die übrigens in Anbetracht des hohen Gewichts mehr als respektabel ist: unter sechs Sekunden nennt BMW. Spitze? Über 180 km/h.
Schon nach kurzer Zeit vergesse ich, was für ein komplexes Fahrzeug ich eigentlich bewege. Sehen wir uns also die Technik genauer an: Im eigenen Kompetenzzentrum für Wasserstoff in München produziert die BMW Group die Brennstoffzellensysteme der Pilotflotte. Diese Technologie zählt zu den Kernkomponenten im BMW iX5 Hydrogen.
Hier alle verfügbaren technischen Daten in der Übersicht:
BMW iX5 Hydrogen (2024) | |
Gesamtantriebssystem Höchstleistung | 295 kW (401 PS) |
Elektrische Dauerleistung des Brennstoffzellensystems | 125 kW (170 PS) |
maximale Leistung der Li-Ionen-Batterie | 170 kW (231 PS) |
maximale Leistung der hochintegrierten E-Antriebseinheit | 295 kW (401 PS) |
Fassungsvermögen der Wasserstofftanks | 6 kg H2 (gasförmig) |
Beschleunigung 0-100 km/h | unter 6 Sek. |
Höchstgeschwindigkeit | über 180 km/h |
Verbrauch Wasserstoff (WLTP) | 1,19 kg/100 km |
Reichweite (WLTP) | 504 km |
Die Technik im Detail
In Kombination mit einer hochintegrierten Antriebseinheit der fünften Generation der BMW eDrive Technologie (E-Maschine, Getriebe und Leistungselektronik zusammengefasst in einem kompakten Gehäuse) auf der Hinterachse und einer eigens für dieses Fahrzeug entwickelten Leistungsbatterie mit Lithium-Ionen-Technologie (170 kW bzw. 231 PS), bringt der Antriebsstrang des Fahrzeugs eine maximale Leistung von 295 kW (401 PS) auf die Straße.
In Schub- und Bremsphasen übernimmt die E-Maschine außerdem die Funktion eines Generators, der Energie in eine Leistungsbatterie zurückspeist. Für die Kleinserie hat das Entwicklungsteam das leistungsstarke Antriebssystem, bestehend aus zwei Wasserstoff-Tanks, der Brennstoffzelle sowie dem E-Motor, in die bestehende Architektur des BMW X5 integriert.
In der Brennstoffzelle findet die chemische Reaktion zwischen dem gasförmigen Wasserstoff aus den Tanks und dem Sauerstoff aus der Umgebungsluft statt. Für eine hohe Effizienz des Antriebs ist eine gleichmäßige Versorgung der Membran in der Brennstoffzelle mit den beiden Medien entscheidend.
Neben technologischen Analogien zum Verbrennungsmotor wie Ladeluftkühler, Luftfilter, Steuergeräten und Sensorik, hat die BMW Group für das neue Brennstoffzellensystem auch spezielle Wasserstoff-Komponenten entwickelt. Dazu gehören beispielsweise der hochdrehende Kompressor mit Turbine oder eine Hochvolt-Kühlmittelpumpe.
Die einzelnen Brennstoffzellen erhält die BMW Group von der Toyota Motor Corporation. Beide Unternehmen blicken auf eine langjährige, vertrauensvolle Zusammenarbeit zurück und arbeiten bereits seit 2013 bei Brennstoffzellenantrieben zusammen.
Auf Basis der einzelnen Zellen erfolgt die Herstellung der Systeme in zwei wesentlichen Schritten. Zunächst werden die einzelnen Brennstoffzellen zu einem sogenannten Stack gestapelt. Im nächsten Schritt findet die Montage aller weiteren Komponenten zu einem vollständigen Brennstoffzellensystem statt.
Das sogenannte "Stacking", also das Stapeln der Brennstoffzellen, ist ein weitgehend automatisierter Prozess. Nachdem die einzelnen Komponenten auf Beschädigungen kontrolliert werden, wird der Stack mit fünf Tonnen Kraft maschinell verpresst und mit einem Gehäuse versehen. Das Stack-Gehäuse wird in der Leichtmetallgießerei im BMW Group Werk Landshut im sogenannten Sandguss-Verfahren gefertigt.
Bildergalerie: BMW iX5 Hydrogen (2023) Produktionsbeginn
In der Endmontage des Brennstoffzellen-Stacks gehören neben einem Spannungstest umfassende Tests der chemischen Reaktion innerhalb der Zellen. Abschließend werden alle Komponenten im Montagebereich zu einem Gesamtsystem zusammengefügt.
Bei der Systemmontage werden weitere Komponenten wie der Kompressor, die Anode und Kathode des Brennstoffzellen Systems, die Hochvolt-Kühlmittelpumpe und der Kabelbaum montiert. Die Fertigung des BMW iX5 Hydrogen erfolgt im Pilotwerk im Münchner FIZ (Forschungs- und Innovationszentrum).
Einfacher Tankvorgang
Der zur Versorgung der Brennstoffzelle benötigte gasförmige Wasserstoff wird in zwei 700-bar-Tanks aus carbonfaserverstärktem Kunststoff (CFK) gespeichert. Gemeinsam fassen sie sechs Kilogramm Wasserstoff, mit dem der BMW iX5 Hydrogen eine Reichweite von 504 km im WLTP-Zyklus erreicht. Zumindest laut Hersteller, uns zeigte der Bordcomputer bei kühlen Temperaturen 432 km an.
Das Betanken der Wasserstoff-Tanks beansprucht laut BMW nur drei bis vier Minuten. Durchaus vorstellbar, als völliger Neuling benötigte ich mit Vorbereitung des Autos, Freischaltung der Säule und Abschluss ungefähr 10 Minuten. Also auch nicht länger als ein konventioneller Tankvorgang mit Bezahlung an der Kasse.
Auffallend ist nach Beendigung der Hochdruck-Befüllung die sehr kalte Zapfpistole. Sie zeigt, wie kalt H2 gespeichert werden muss, um gasförmig zu bleiben. Um genau zu sein: Gasförmiger Wasserstoff (GH2) mit minus 40 °C bei 700 bar. Der Preis für eine Tankfüllung lag beim iX5 Hydrogen auf dem Niveau eines Benziners, etwa 70 Euro.
Interessant auch, wie viele Menschen beim Thema Wasserstoff-Auto hellhörig werden. Womöglich, weil es den bisherigen Tankgewohnheiten mehr entgegenkommt als das Warten an einer Elektro-Ladesäule. Trotzdem wird H2 im Pkw nicht die Lösung aller Probleme sein. Eher wie einst der Wankelmotor eine nette Alternative. Wohl dem Unternehmen, dass genügend Ingenieure hat, um einige für die Brennstoffzelle abstellen zu können.
Fazit:
Dass die Technologie inzwischen problemlos in Autos implementierbar ist, zeigt der BMW iX5 Hydrogen eindrucksvoll. Aber es gibt ihn auch nicht frei zu kaufen, wohl auch, weil der Preis jeden Kunden abschrecken würde. So nehmen wir BMW-Chef Zipse beim Wort und warten auf eine Neue Klasse mit Brennstoffzelle. Denn Geduld ist man bei diesem Thema gewohnt.