Gewisse Sportlichkeit zum Budget-Preis: In den 1990er-Jahren nannte man das hier im Pott lapidar "Bauernporsche". Bei der ersten Ausfahrt mit dem Ora 07 geisterte der Begriff nun wieder im Kopf umher. Nicht vollends ohne Grund, erinnert die glubschäugige Front mit den hoch gezogenen rundlich geformten Kotflügeln doch arg an bekannte Vertreter aus Zuffenhausen.
Mit dem Ora 07 verdoppelt GWM die Modellpalette in Deutschland. Der ehemalige "Funky Cat" Ora 03 erhält einen großen Bruder in Form einer vollelektrischen "sportlich-eleganten" Mittelklasse-Limousine. Wie diese sportliche Eleganz auf öffentlicher Straße so ankommt?
Schnelle Daten | GWM Ora 07 Pro (2024) |
Leistung | 150 kW (204 PS) maximale Leistung, 66 kW (90 PS) 30-Minuten-Leistung |
Drehmoment | 340 Nm |
Batterie | Lithium-Eisenphosphat, 64,3 kWh (Netto), 67 kWh (Brutto) |
Reichweite | 440 km (WLTP) |
Ladeleistung | 88 kW |
Basispreis | 44.490 Euro |
Exterieur | Interieur | Fahrbericht | Batterie und Laden | Preise | Fazit
Exterieur
Eine Szene aus Mainz: Zweispurige Straße – ich halte neben einem Renault Clio an der roten Ampel. Der Fahrer lässt seinen Blick obligatorisch zur Linken schweifen. Plötzliches Stocken in seiner Bewegung. Er schaut zurück zur Front des Ora 07, entlang der Seitenline, zum Heck, zu mir, wieder zum Heck, nochmals zu mir und zieht eine Augenbraue skeptisch hoch. Dann verliert sich seine Spur, weil die Ampel auf grün schaltet.
Bildergalerie: GWM Ora 07 (2024) im Test
Zugegeben, der Anblick eines GWM Ora 07 ist ... speziell, um es vorsichtig auszudrücken. An der Front schaut er aufgeregt knuffig drein wie ein Chihuahua. Irgendwo zwischen Mini, VW Beetle und Porsche. Ohne Zweifel ein prägnantes Familiengesicht, das in kürzerer Form auch schon sein kleiner Bruder Ora 03 trägt.
Jedoch nicht die schier nicht enden wollende Seitenlinie auf einem Radstand von 2,87 Meter. Das überproportional ausladende Coupe-Heck mit dem kleinen ausfahrbaren "Bürzel" und den Spiegeleidotter-Rückleuchten – es braucht hier etwas mehr als Gewöhnung. Nach der Probefahrt schlich ich minutenlang um die geparkten Fahrzeuge.
Von vorne nach hinten und wieder zurück. Verschiedene gedeckte Farben begutachtend. Im Versuch die Proportionen irgendwie gedanklich einzufangen. So ganz gelang es jedoch nicht. Als hätten Porsche Panamera und Hyundai Ioniq 6 zuvor mächtig Spaß miteinander gehabt.
Abmessungen | GWM Ora 07 Pro (2024) |
Länge | 4.871 mm |
Breite | 1.862 mm |
Höhe | 1.500 mm |
Radstand | 2.870 mm |
Kofferraum | 333 - 1.045 Liter |
Leergewicht | 2.065 kg |
Zuladung | 350 kg |
Der Ora 07 ist anders. Das hört auch im gestreckten Wählscheibendesign der 18-Zoll-Leichtmetallfelgen oder den obligatorisch ausfahrenden Türgriffen nicht auf. Wer im SUV-Einheitsbrei nach dem gewissen Etwas sucht, wird bei der chinesischen Mittelklasselimousine in jedem Fall fündig. Und ganz ehrlich, auch sogenannte Design-"Sünden" wie Ford Edsel oder MK2 Scorpio wurden zu Klassikern. Es ist den Designern also zumindest am Heck und in der Seitenliniengestaltung ein wenig Mut zuzusprechen.
Interieur
Im Innern zeigt sich das Design etwas klassischer, wenn auch im gefahrenen Hellbraun/Chrom-Mix gewöhnungsbedürftig. Eine Schwarz/Carbon-Look-Kombi ist jedoch ebenfalls zu haben. Hinter dem schlichten Dreispeichen-Lenkrad hebt sich vor allem das 10,25-Zoll-Cockpit im Rundinstrumenten-Look ab. Die Mittelkonsole führt über einen wuchtigen Tunnel in Richtung 12,3-Zoll-Bildschirm, das ganz ohne drehbare Spielereien auskommt. Eine Handvoll Knöpfe, Schalter, Drehregler und eine schmale Ladeschale für Smartphones komplettieren das schlichte Design.
Gerne hätten es noch ein paar mehr Knöpfe seien können, damit nicht in den Tiefen des Infotainmentsystems nach gebräuchlichen Helferlein wie der Sitzheizung gesucht werden muss. Die Menüführung wirkt etwas hölzern, eine intuitive "Zurück"-Funktion gibt es nicht. Wer in Menüs umhersucht, muss zum "Home"-Ausgangspunkt zurück. Zudem zeigte sich das Touchscreen-Display bei unserem kurzen Ausflug zuweilen als ein wenig berührungsresistent und damit während der Fahrt zusätzlich ablenkend.
Ansonsten sitzt es sich bequem im Ora 07, wenn auch bei stattlicher Größe vermutlich schnell die Grenzen des Panoramadachs erreicht werden. Im Fond schränkt das sich absenkenden Heck ab einer Körpergröße von 1,80 Meter den Komfort etwas ein. Allzu sperrig darf es auch im Kofferraum nicht zugehen. 333 Liter sollten für den Normalgebrauch in einer sportlich gestalteten Mittelklasse-Limousine jedoch ausreichen. 1.045 Liter werden es mit umgelegter Rücksitzbank.
Fahrbericht
Das sportliche Versprechen im Antlitz kann der GWM Ora 07 leider nicht halten – zumindest nicht in der gefahrenen "Pro"-Version. Das mit 4,87 Meter recht lange Schiff taucht in Kurven schnell vorne ein. In Kombination mit der Lenkung, die ausschließlich im Sport-Modus ein etwas direkteres Ansprechverhalten suggeriert, fehlt die meiste Zeit intuitives Kontaktgefühl zur Straße.
Beim kurzen Sprint, den der Ora 07 Pro in 8,2 Sekunden schaffen soll, zerren die überschaubaren 150 kW zudem am Lenkrad des Fronttrieblers und erzwingen leichte Ausgleichshandlungen. Für ungeübte Fahrer vielleicht ein Problem. Wirklich vielversprechend nach Sportspaß und Wendigkeit wirkt das alles nicht. Die kräftigere GT-Version könnte zumindest letzteres Problem lösen, wenn die Kraft gleichmäßig an alle Räder verteilt wird.
Fahrleistungen | GWM Ora 07 Pro (2024) |
0 - 100 km/h | 8,2 Sek. |
Höchstgeschwindigkeit | 170 km/h |
Verbrauch | 16,5 kWh (WLTP) |
Für ein genüssliches Fortschreiten auf der Autobahn oder dem zaghaft kurvigen Landstrich ist diese Fahrzeugabstimmung jedoch ganz angenehm und komfortabel. Zum Reisen liegt der Zweitonner satt auf der Straße. Wer den Fuß vom Gas nimmt, verspürt eine deutliche Rekuperationsverzögerung. Ein unmittelbares Sportmonster darf hier keiner erwarten. Der Fokus von GWM liegt klar auf dem Komfort.
Batterie und Laden
Der von uns gefahrene "Pro" trägt wie die Einstiegsvariante "Pure" eine 67 kWh Lithium-Eisenphosphat-Batterie im Bauch. Nach WLTP schlägt ein Verbrauch mit 16,5 kWh zu Buche. Auf unserer eineinhalbstündigen Ausfahrt standen leicht höhere 17,8 kWh auf dem Display.
Das integrierte Ladegerät verfügt über eine maximale Ladeleistung von 11 kW. An einer Schellladesäule soll der Ora 07 bei einer maximalen Ladeleistung von 88 kW in 36 Minuten von 10 auf 80 Prozent geladen werden können. Wer den GT mit seiner 86 kWh Batterie bevorzugt, kann an einer Schellladesäule bei 43 Minuten ausgiebig durch den Unterhaltungsbereich des Ora 07 scrollen. Zum Vergleich: Ein Hyundai Ioniq 6 braucht für diesen Vorgang mit einer 77-kWh-Batterie nur 18 Minuten.
Preise
Für eine vollelektrische Mittelklasse-Limousine in der Größenordnung des Ora 07 geht es preislich recht überschaubar los. 41.990 Euro werden in der Pure-Version mit 150 kW mindestens fällig. Mit an Bord sind schon hier etliche Assistenzsysteme und Annehmlichkeiten. In der gefahrenen Pro-Version ab 44.490 Euro kommen Head-Up-Display, Infinity-Sound-System, der elektrisch ein- und ausfahrende Spoiler und eine Wärmepumpen-Funktion hinzu.
Das Top-Modell, der GT mit 300 kW, 680 Nm und Allradantrieb ist ab 53.490 Euro zu haben. Der zusätzliche "Sport+"-Modus und die 19-Zoll-Leichtmetallfelgen könnten etwaige sportliche Schwächen noch ein wenig überdecken.
Fazit
Gegen Mitkonkurrenten wie Polestar 4, Tesla Model 3 und Hyundai Ioniq 6 ist beim GWM Ora 07 natürlich der Preis das wichtigste Argument. Mit einigen Abstrichen in der Ladegeschwindigkeit, der Sportlichkeit und der Handhabung.
Wer jedoch ein individuell aussehendes Fahrzeug sucht, das vor allem in Reisegeschwindigkeit auf der Autobahn umhercruisen kann, der könnte zumindest mal einen Blick wagen. Vorausgesetzt er hält es aus, dass am Ende im Ladepark jemand rübergeschlufft kommt, auf die Haube klopft und sagt: "Aber schön, echter Bauernporsche." Wer GWM Ora 07 fährt, fällt halt immer auf.