Wie sieht die Zukunft des Automobils aus? Nach jetzigem Stand in Europa so: Diesel pfui, Elektro hui. Doch was ist eigentlich mit all den Wohnmobilen, die derzeit einen Boom erleben. Zwar gibt es Stromversionen von Sprinter, Crafter, demnächst Ducato und Co., aber noch dominiert in dieser Sparte der Diesel für die Langstrecke in den Urlaub.

Jetzt überrascht Knaus Tabbert auf dem Caravan Salon 2021 in Düsseldorf mit dem Konzeptfahrzeug Knaus E.Power Drive. Äußerlich wirkt die Studie wie ein gewöhnliches Wohnmobil, wie man es zu Tausenden sieht. Doch technisch wartet der E.POWER DRIVE mit so mancher Überraschung auf. Das Reisemobil mit Elektroantrieb entstand in Kooperation mit der HWA AG, die unter anderem auch Rennsport-Aktivitäten für Daimler betreibt.

Bildergalerie: Knaus E.Power Drive Wohnmobil (2021)

Der Knaus E.Power Drive basiert auf einem Knaus VAN TI 650 MEG Vansation, dessen Grundlage ein Fiat Ducato ist. Die aufwändige Technik der Studie zeigt sich schon im Cockpit. Da nicht nur der Antriebs‐Diesel, sondern auch das Sechsgangschaltgetriebe verzichtbar sind, ist ein Ganghebel unnötig. An dieser Stelle ist eine „Drucktastenautomatik‟ mit einem von Automatikgetrieben bekannten Schema: P (Parken), R (Rückwärts), N (Leerlauf), D (Fahren) installiert.

Zwei weitere Tasten im Paneel schalten die Fahrzeug‐Heizung (erwärmt bei niedrigen Außentemperaturen auch die Antriebsbatterie) ein oder die Rekuperation bei widrigen Fahrbahnbedingungen wie Eis oder Schneeglätte aus Sicherheitsgründen ab.

Knaus E.POWER DRIVE Wohnmobil (2021)

Gleichzeitig melden die sechs Tasten den Ladezustand der Antriebsbatterie, die über eine Kapazität von 35 kWh verfügt. Zusätzlich im Cockpit: Das innovative HMI‐Konzept, bestehend aus zwei großen Anzeigen. Ziel hierbei war es, die bestmögliche Lösung für ein optimales Human‐Machine‐Interface zu erarbeiten.

Der 12‐Zoll große Touchscreen ermöglicht die Steuerung des Infotainment, kann aber auch Zusatzinformationen zum Fahrbetrieb anzeigen. Ein zweites Display meldet den Betriebszustand des Reisemobils, die Geschwindigkeit oder die aktuell abgerufene Leistung.

Noch mehr Aufwand wurde verborgen unterm Blech betrieben. Anstelle des bekannten Dieselmotors mit Getriebe findet eine Kombination aus Elektromotor und Reduktionsgetriebe ihren Einsatz. Der E‐Motor leistet bis zu 180 kW und ermöglicht eine Reisegeschwindigkeit des vollwertig‐ausgestatteten viersitzigen Reisemobils von über 110 km/h.

Knaus E.POWER DRIVE Wohnmobil (2021)

Er kann im Schiebebetrieb aber auch rekuperieren, also elektrische Energie erzeugen und wird von der achsnah im hinteren Unterboden des Reisemobils verbauten Hochvolt‐Batterie gespeist. Die Lithium‐Ionen‐Zellen des frontgetriebenen Knaus E.Power Drive sind an einer öffentlichen Wallbox im besten Fall innerhalb von gut drei Stunden wieder aufgeladen. Mit dem Range Extender verkürzt sich die Ladezeit auf rund 35 Minuten.

Die nach WLTP ermittelte Reichweite des Knaus E.Power Drive im rein elektrischen Betrieb beträgt bescheidene 90 Kilometer. Spätestens dann – in der Regel schon vorher bei Erreichen eines Schwellenwerts der Batterie, springt im Fahrbetrieb automatisch ein Range Extender (REX) an, der fest mit einem Generator gekoppelt ist, wenig komfortable und zeitraubende Ladestopps entfallen daher.

Der REX hat primär die Aufgaben die Fahrbatterie aufzuladen, er kann aber auch direkt Strom an den Antriebsmotor liefern. Gleichzeitig versorgt der REX auch den Wohnaufbau des Freizeitfahrzeugs mit Energie. Der montierte DC/AC‐Wandler (Gleichstrom/Wechselstrom) liefert im Wohnbereich haushaltsübliche 230 Volt und erhöht so die Autarkie des Reisemobils. Das Lastenheft der Knaus‐Forschung formulierte den Anspruch: "Bei normalen Witterungsbedingungen sollen bis zu fünf Tage unabhängiges Caravaning (Beleuchtung, Kochen, Heizen) möglich sein."

Knaus E.POWER DRIVE Wohnmobil (2021)

Eine Überraschung ist jedoch die Art des REX: Wesentlicher Bestandteil des Range Extenders ist der in der Studie montierte hochmoderne Wankelmotor, der im optimalen Drehzahlbereich operiert und effektiv einen angeflanschten Generator antreibt. En ähnliches Konzept will Mazda ab 2022 auch im MX-30 bringen.

Die Vorteile des Dreischeiben‐Kreiskolbenmotors der Knaus‐Studie: kompakte Abmessungen, einfacherer Aufbau und weniger Bauteile als ein Hubkolbenmotor (keine Nockenwelle, keine Ventile, keine Steuerkette), laufruhig und leise im Betrieb, nutzbar im idealen Drehzahlband. Aber auch konventionelle Verbrennungsmotoren (Benziner oder Diesel), die effizient wie schadstoffarm den Generator antreiben, sind denkbar.

Allerdings möchte die Knaus Tabbert‐Forschung langfristig anstelle des Wankelmotors künftig eine Brennstoffzelle einsetzen, die noch sauberer die nötige Energie erzeugt, weil sie lediglich Wasser emittiert. Der benötigte Wasserstoff wird dann – crashsicher angeordnet – in einem speziellen Druckbehälter an Stelle des konventionellen Dieseltanks gespeichert.

Zudem soll das Fahrzeug künftig konsequent "gasfrei" sein und so ausschließlich vollelektrisch betrieben werden können, das bietet zusätzliches Potential der Gewichtseinsparung. Im Serienbau sollen dann eine Vielzahl von gewichtsreduzierenden Maßnahmen die Gewichtsbilanz weiter optimieren. Das Ziel ist es, ein im Fahrbetrieb für vier Personen zugelassenes Basis‐Reisemobil in der beliebten 3,5‐Tonnen‐Klasse mit einer sinnvoll nutzbaren Zuladung anzubieten.