Der Mercedes EQS 450+ ist mit bis zu 784 Kilometern die EQS-Version mit der größten Reichweite. Mit niedrigen Stromverbräuchen ab 15,7 kWh/100 km ist der Wagen zudem sehr sparsam. Wer schon einige unserer Schnelllade-Analysen gelesen hat, weiß, was das bedeuten könnte: schnelles Nachladen von Reichweite. Die neueste Analyse von Kollege Mark Kane zeigt, wie gut die Elektro-Limousine in dieser Disziplin ist. 

Basis der Analyse ist ein Ladevorgang von Kollege Kyle Conner, der den EQS 450+ an einer Säule von EVgo in Denver (Colorado) auflud. sein Video sehen Sie ganz unten in diesem Artikel. Die Säule war mit 350 kW angegeben. Noch wichtiger ist die maximale Stromstärke von 500 Ampere, denn damit müsste die Säule bei etwa 400 Volt viel Leistung abgeben.

Ladekurve

Kyle lud das Auto von praktisch null auf 100 Prozent auf. Die Säule und das Auto zeigten jeweils etwas differierende Ladeleistungen an; diese Analyse basiert auf den Anzeigen der Säule. Insgesamt flossen bei dem Vorgang 116 kWh aus dem Ladepunkt ab; damit lag der Ladeverlust wohl bei etwa 8 kWh, denn die Nettokapazität gibt Mercedes mit 108 kWh an. 

Die Ladeleistung stieg nach dem Start schnell auf etwa 200 kW – das ist auch die maximale Ladeleistung, die Mercedes angibt. Maximal wurden 202 kW bei 29 Prozent Ladestand (SoC) erreicht.

Für etwa ein Drittel des Ladevorgangs blieb die Ladeleistung bei etwa 200 kW. Danach fiel sie kontinuierlich bis auf 100 kW ab, die bei 80 Prozent SoC erreicht wurden, bevor die Kurve stärker abfällt und bei 90 Prozent SOC etwa 40 kW erreicht. Im Großen und Ganzen ist die Ladekurve ähnlich wie bei unserer Analyse vom Sommer 2021, die auf einer Ladekurve des Herstellers basiert. 

Ladedauer

Der gesamte Ladevorgang von 0 auf 100 Prozent SOC dauerte 1h17 (wenn man die Unterbrechung außer Acht lässt, die durch die Begrenzung auf 60 Minuten verursacht wurde). Für die Praxis eher relevant sind folgende Zeiten:

  • 10-80 %: 31 min
  • 20-80 %: 27 min
  • 10-90 %: 42 min
  • 20-90 %: 39 min

Mercedes selbst gibt in der Preisliste 31 Minuten für 10-80 % an; diese Angabe wurde im Test genau erreicht.

Durchschnittliche Ladeleistung: 153 kW

Bei dem hier betrachteten Ladehub von 20 bis 80 Prozent betrug die durchschnittliche Ladeleistung 153 kW.

C-Raten: Bis zu 1,9C

Die so genannte C-Rate gibt an, wie sich die Ladeleistung zur Brutto-Kapazität des Akkus verhält. 1C wird erreicht, wenn der Akku in einer Stunde vollgeladen wird. Die C-Rate ist ein Maß dafür, wie stark die Batterie beim Laden belastet wird.

Die Netto-Kapazität der Batterie liegt wie erwähnt bei (knapp) 108 kWh, die Brutto-Kapazität gibt Mercedes nicht an. Mark Kane schätzt den Wert auf 115 kWh. Teilt man die maximale Ladeleistung von 202 kW durch diese 115 kWh, so erhält man eine maximale C-Rate von 1,8C. Die durchschnittliche C-Rate liegt bei 1,3C; man erhält sie, wenn man die 153 kW durch 115 kWh teilt.

Reichweite nachladen: 18,3 km/min

Auf Langstrecken möchte man wissen, wie lange man an der Säule (oder im Café nebenan) warten muss, bis genug Strom für die nächsten 100, 200 oder 300 km geladen sind. Diese Dauer hängt natürlich nicht nur von der Ladegeschwindigkeit, sondern auch vom Stromverbrauch des Wagens ab.

Letzteren berechnet Mark Kane aus der WLTP-Reichweite von etwa 770 km und der Netto-Kapazität der Batterie von 108 kWh. Das ergibt 14,0 kWh/100 km. Wenn wir mit durchschnittlich 153 kW laden, dann gelangen in einer Stunde rechnerisch 153 kWh in die Batterie. Für 100 km brauchen wir 14 kWh. Teilen wir 14 kWh/100 km durch die 153 kW, ergeben sich 0,09 h oder 5,4 min/100 km. Strom für 100 km nachzuladen, dauert also knapp fünfeinhalb Minuten.

Mark Kane gibt den Wert wie immer in Kilometer pro Minute an; dann sind es 18,3 km/min. Geht man vom offiziellen WLTP-Verbrauch von 15,7 bis 19,8 kWh/100 km aus, ergeben sich 6,2 bis 7,8 Minuten (bzw. 16,1 bis 12,8 min/km).

Vergleich mit Lucid Air und Tesla Model S Plaid

Vergleichen wir die Ergebnisse nun mit der Konkurrenz. Den Lucid Air und das Tesla Model S Plaid haben wir bereits in einer Schnelllade-Analyse verglichen; nun nehmen wir den Mercedes noch mit dazu.

Die drei Ladekurven sehen im Grunde ähnlich aus, aber es gibt große Unterschiede bei der maximalen Ladeleistung: Der Lucid (schwarze Kurve) erreicht etwa 300 kW, der Tesla (grün) 250 kW und der Mercedes macht schon bei 200 kW Schluss:

Und die durchschnittliche Ladeleitung im Bereich 20 bis 80 Prozent? Man könnte denken, dass der EQS hier deutlich schlechter abschneiden müsste. Aber der Mercedes liegt mit 153 kW etwa auf dem gleichen Niveau wie der Lucid Air (154 kW) und sogar leicht vor dem Tesla (139 kW) – eine Überraschung.

Beim Vergleich der C-Raten zeigt sich, dass Mercedes am Anfang der Ladekurve auf Nummer sicher geht: Die C-Rate wird auf 1,8C begrenzt, während Tesla und Lucid auf bis zu 2,5C hochgehen: 

Die durchschnittliche C-Rate ist bei den drei Modellen praktisch gleich (1,3 bis 1,4C).

Die interessanteste Zahl aus Sicht der Autofahrerin oder des Autofahrers ist die Geschwindigkeit, mit der Reichweite nachgeladen wird. Da nur die EPA-Reichweite für alle Modelle bekannt ist (Lucid gibt noch keine WLTP-Werte an), ziehen wir diese heran. Dabei vergleichen wir vier Versionen mit verschiedenen Radgrößen: 

  • Mercedes-Benz EQS 450+ mit 20-Zoll-Rädern
  • Lucid Air Dream Edition Range mit 19-Zoll-Rädern
  • Tesla Model S Long Range mit 19-Zoll-Rädern
  • Tesla Model S Plaid mit 21-Zoll-Rädern

Das folgende Diagramm zeigt, dass der EQS hier das langsamste der vier Modelle ist:

In der folgenden Tabelle sind die Werte für das Reichweite-Nachladen im Bereich von 20-80 % SOC verzeichnet:

Ladeleistung und Reichweite-Nachladen
Modell
[Quelle]
Antrieb /
Batterie
(kWh)
Durchschnittliche
Ladeleistung
(20-80%)
Reichweite-Nachladen
(EPA, 20-80%)
Mercedes EQS 450+ 20"
[Out of Spec]
RWD
108 kWh
153 kW 13,3 km/min
Lucid Air Dream Edition Range 19"
[Tom Moloughney]
AWD
118 kWh
154 kW 18,2 km/min
 Tesla Model S Plaid 21" (Supercharger V3)
[Tom Moloughney]
AWD
100 kWh
139 kW 13,7 km/min
Tesla Model S Plaid 19" (Supercharger V3)
[Tom Moloughney]
AWD
100 kWh
139 kW 15,9 km/min

Der Mercedes kommt auf 13,3 km/min und liegt damit fast gleichauf mit dem Tesla Model S Plaid mit großen Rädern. Das gleiche Modell mit den kleinen Rädern und besonders der Lucid laden Reichweite aber deutlich schneller nach.

Fazit

Der Mercedes EQS 450+ gehört zu den schnell ladenden Modellen, doch Lucid Air und Tesla Model S sind noch schneller. Das zeigt sich vor allem beim Reichweite-Nachladen. Hier ist der Lucid deutlich besser. 

Die Schwäche des Mercedes ist die relativ geringe maximale Ladeleistung von rund 200 kW. Von 400 auf 800 Volt überzugehen, wäre eine weitere Verbesserungsmöglichkeit.

Mercedes EQS 450+
Max. Ladeleistung
Max. C-Rate

Durchschnittliche Ladeleistung (20-80% SOC)
Durchschnittliche C-Rate (20-80% SOC)

Ladedauer (20-80% SOC)
202 kW
ca. 1,8C

153 kW
ca. 1,3C

27 min
Reichweite-Nachladen (20-80% SOC):
WLTP
EPA
18,3 km/min
13,3 km/min

Der Text wurde gegenüber dem Original von Mark Kane gekürzt und sprachlich deutlich verändert; teils haben wir auch Inhaltliches geändert.

Hier noch das Video von Kyle Conner mit dem Ladevorgang selbst: