Der Elektrotechnik-Professor Martin Doppelbauer glaubt, dass elektrische Radnabenmotoren deutlich ineffizienter sind als Zentralmotoren. Das Münchner Startup DeepDrive dagegen behauptet, dass seine Doppelrotor-Motoren (sowohl Zentral- wie Radnabenmotoren) besonders effizient sind. Wir haben uns über die DeepDrive-Technik informiert.
Die Besonderheit der Maschinen von DeepDrive ist, dass es sich um Doppelrotor-Motoren handelt. Die Motoren der meisten Elektroautos bestehen aus einem außen liegenden Stator und einem Rotor, der sich im Inneren des Stators dreht. Seltener sind die so genannten Außenläufer, bei denen sich der Rotor um den Stator dreht. Der Doppelrotor-Motor kombiniert den Innenläufer mit dem Außenläufer in einem Motor: Es gibt also zwei Rotoren, einen außen und einen innen.
Der magnetische Fluss ist wie bei den allermeisten Elektromotoren radial von der Welle weg gerichtet, es handelt sich also um einen Radialflussmotor. Doppelrotor-Motoren wären nicht neu, ihre Vorteile wären bekannt, sagt DeepDrive-Chefingenieur Alexander Rosen im obigen Video . Doch bisher verhinderten Produktionsprobleme eine großtechnische Anwendung. Diese Probleme hätte DeepDrive nun überwunden.
Die Doppelrotormaschinen zeichneten sich aus durch eine hohe Effizienz bei Teillast durch geringe Eisenverluste oder Ummagnetisierungsverluste (Wikipedia), hohe Drehmoment- und Leistungsdichte sowie geringe Materialkosten. Zusammen mit dem integrierten Siliciumcarbid-Inverter sollen Wirkungsgrade von über 98 Prozent erreicht werden. So soll die Reichweite eines Elektroautos um 20 Prozent steigen. Wie wohl die meisten Elektromotoren enthalten auch die DeepDrive-Maschinen Permanentmagnete, deren Einsatz sei hier jedoch um die Hälfte verringert.
Das Konzept eignet sich sowohl für den Zentralantrieb mit Getriebe wie für den Radnabenantrieb ohne Untersetzung. 2021 stellte DeepDrive den Radnabenantrieb vor, der von Kooperationspartner Continental mit einer Bremse ausgestattet wird. 2023 zeigte DeepDrive dann einen Zentralantrieb. Den Zentralantrieb gibt es in den Versionen CSD 450 und CSD 700, den Radnabenantrieb in den Varianten RM 300, RM 1500 und RM 1800. Die Zahlen entsprechen dabei dem Drehmoment in Newtonmetern.
Zum Radnabenmotor sagt Rosen, Vorteile wären die Platzersparnis und die Möglichkeit eines Torque Vectoring. Bisher hätten hohe Kosten und das hohe Gewicht (vermutlich die erhöhten ungefederten Massen in den Rädern) eine Anwendung in der Großserie verhindert. Diese Probleme würde die DeepDrive-Technologie beseitigen. Ein DeepDrive-Radnabenmotor liefere bis zu 200 kW, vier also bis zu 800 kW. Dabei sind die Motoren kompatibel mit 400- und 800-Volt-Systemen.
Die ungefederten Massen würden durch das geringe Gewicht der Motoren gering gehalten. Nach dem Datenblatt des RM 1800 (als PDF) beträgt die Masse des stärksten Radnabenmotors 35 Kilo. Gewicht wird auch dadurch gespart, dass man die Bremsen an der Hinterachse deutlich verkleinern oder sogar weglassen kann – vermutlich, wenn man sie durch verstärkte Rekuperation ersetzt.
In DeepDrive investiert ist neben den Venture-Capital-Sparten von BMW und Continental auch der ehemalige Audi- und Volvo-Entwicklungsvorstand Peter Mertens. In einem Interview mit Automotive News Europe bezeichnete Mertens die Technik nun als radikale Veränderung, nicht nur als Optimierung einer bekannten Technologie.
DeepDrive-Chef Felix Pörnbacher fügte hinzu, er stehe derzeit mit acht der zehn größten Autoherstellern der Welt in Kontakt und führe Gespräche über die Serienproduktion der Motoren. Die Motoren sollen besser sein als die Axialflussmotoren von Mercedes und könnten dank ihrer Sparsamkeit die Reichweiten auf 800 km steigern. Zudem soll die Technik den Autoherstellern Einsparungen von bis zu einer Milliarde Euro bringen, zitiert unsere italienische Schwesterseite die Aussagen aus dem Bericht.
Unter dem Strich
Das Münchner Startup-Unternehmen DeepDrive will zwar nicht das Rad neu erfunden haben, aber die Welt der Elektromotoren revolutionieren. Nach den Worten des Chefingenieurs stellt allerdings nicht die spezielle Bauweise des Motors mit zwei Rotoren die Besonderheit dar, sondern dessen kostengünstige Herstellung. Wie das gelungen ist, dazu schweigt die Firma. Dennoch: Das Konzept ist offenbar vielversprechend.
Quelle: DeepDive via InsideEVs.it