Vor kurzem hatte ich Gelegenheit, das Ford-Entwicklungszentrum in Dearborn sowie das neue Rouge Electric Vehicle Center zu besuchen, um den F-150 Lightning aus der Nähe zu betrachten. Der Höhepunkt war jedoch eine F-150-Mitfahrt mit Darren Palmer, als Fahrer, dem Verantwortlichen für alle Elektroautos von Ford.

Wir drehten ein paar Runden auf der Ford-Teststrecke in Dearborn, und Palmer war nicht zimperlich, als es darum ging, die 563 PS und das Drehmoment des F-150 zu präsentieren – das höchste Drehmoment aller bisherigen Serien-F-150. 

Leider durften wir keine Bilder von der Fahrt machen, da wir uns auf dem geheimen Testgelände befanden, auf dem auch nicht angekündigte Ford-Fahrzeuge herumfuhren. Außerdem handelte es sich bei dem F-150 Lightning, den wir fuhren, um einen frühen Test-Prototyp, bei dem die Verarbeitung noch nicht dem Serienstand enstsprach.

Ford F150 Lightning Mega Power Frunk im Vergleich zu regulären F150
Ford F-150 Lightning mit 'Mega Power Frunk' neben einem fossilen F-150

Antrieb: Beschleunigungsgefühl wie Model 3 Long Range

Der F-150 Lightning, in dem ich mitfuhr, hatte das Extended Range Battery Pack und war damit nicht nur die Version mit der größten Reichweite, sondern auch die leistungsstärkste Version. Ford wird im F-150 Lightning zwei Batterien anbieten:

  • Standard-Range-Pack mit einer EPA-Reichweite von 230 Meilen (370 km)
  • Extended-Range-Pack mit einer EPA-Reichweite von 300 Meilen (483 km)

Die Speicherkapazitäten sind noch nicht bekannt, aber wir schätzen die Kapazität auf brutto 125 kWh (davon 115 kWh netto) bzw. 170 kWh (davon 155 kWh nutzbar).

Alle Versionen haben zwei Elektromotoren und Allradantrieb. Außerdem haben sie auch immer  das gleiche Drehmoment von 1051 Newtonmeter. Die Standard-Range-Version wird 318 kW haben, die Topversion 420 kW.

Die Sprintzeit (0-60 mph) der Extended-Range-Version soll laut Ford im mittleren Vier-Sekunden-Bereich liegen. Für mich als Beifahrer fühlte sich der Wagen mindestens so schnell an. Die Beschleunigung schien vergleichbar mit der meines Tesla Model 3 Long Range von 2021 (das mit 4,2 Sekunden angegeben ist).  

Ford F150 Lightning silver

Reichweite: Bis zu 760 Kilometer?

Die EPA-Reichweite von 300 Meilen (EPA) soll 1.000 lbs (etwa 450 kg) Ladung einschließen, wie InsideEVs.com unter Berufung auf Marques Brownlee meldete. Ein leerer F-150 Lightning müsste eine deutlich höhere Reichweite haben. Die Reichweiten-Anzeige war bei dem Testwagen aus dem Fahrerdisplay entfernt, doch beim Scrollen durch die Menüs auf dem 15,5-Zoll-Touchscreen fand ich eine Restreichweite von 472 Meilen (760 km) bei voller Batterie. Das bestätigt die Angaben von Brownlee bei dem von ihm geprüften Fahrzeug.  

Ich erwarte nicht, dass der F-150 Lightning auch nur annähernd die EPA-Reichweitenangabe von 472 Meilen erreichen wird, aber ich glaube langsam, dass Brownlee Recht haben könnte und Ford die Reichweite zu niedrig ansetzt.

Beim Mustang Mach-E hat Ford schon einmal so gehandelt: Man setzte die Reichweite absichtlich zu niedrig an und bat die EPA, Reichweitenangaben zu veröffentlichen, die unter den Testergebnissen lagen. So hat beispielsweise der Mustang Mach-E AWD Extended Range eine EPA-Reichweite von 270 Meilen, obwohl die EPA-Tests 276 Meilen ergeben hatten. Klar, das ist nur ein Unterschied von zwei Prozent, aber es zeigt, dass Ford sich um eine Reichweitenangabe bemüht, die keine übertriebenen Kundenerwartungen weckt.

Ford F150 Lightning tail light

Reichweitenanzeige auf Basis der integrierten Waage

Beim F-150 Lightning könnte die reale Reichweite besonders stark von der offiziellen Angabe abweichen, da der Elektro-Pick-up häufig zum Transport schwerer Lasten (bis zu eine Tonne) und zum Ziehen von Anhängern (bis zu 4,5 Tonnen) eingesetzt werden dürfte. Vielleicht will Ford daher hier besonders vorsichtig sein und die EPA-Reichweite absichtlich sogar um 10 bis 15 Prozent niedriger ansetzen.

Palmer verweigerte jede Auskunft dazu. Doch er erklärte, dass Ford bei der Reichweitenanzeige die fahrzeugintegrierte Waage nutzt, die die aktuelle Zuladung (Passagiere und Ladung) abschätzt, sowie den integrierten Anhänger-Konfigurator, der es ermöglicht, die Art des Anhängers (ich glaube, bis zu vier verschiedene Anhänger) im System zu speichern.

Laut Palmer wird bei der Reichweitenanzeige eine Genauigkeit von ± 5 Prozent angestrebt, wobei Ladung, Anhänger, die Topografie der Strecke und andere Fahrbedingungen berücksichtigt werden. Er betonte, dass Ford für Vertrauen in die angezeigte Reichweite sorgen möchte.

Aufladen mit bis zu 150 kW

Ich hatte die Gelegenheit, die neue Charge Station Pro von Ford zu testen, eine Level-2-Ladestation mit 80 Ampere und CCS-1-Anschluss. Der CCS-1-Stecker wird nicht zum Laden des F-150 Lightning benötigt; er wird verwendet, wenn der Lightning mit Fords Intelligent Backup Power Strom abgibt. Die Charge Station Pro ist serienmäßig bei der Extended-Range-Version, nicht jedoch bei der Standard-Range-Variante.

Wer das optionale Intelligent-Backup-System nutzen möchte, braucht die Charge Station Pro sowie einen Wechselrichter und einen Umschalter, die separat zu erwerben sind. All das muss vom Solarstromanbieter Sunrun installiert werden, Fords Partner für die Installation. Sunrun wird auch die Installation einer passenden Photovoltaik-Anlage für das Hausdach anbieten.

2022 Ford F-150 Lightning Charging Information

Ford hat in der obigen Grafik die Ladezeiten bei verschiedenen Ladeleistungen angegeben. Auf dieses Basis stellte schätzte Kollege Mark Kane die Batteriekapazität ab und berechnete zudem, wie schnell Reichweite nachgeladen wird.

Das Aufladen von 15 auf 100 Prozent mit 150 kW Gleichstrom (15 bis 80 Prozent SOC) dauert bei der Standard-Range-Version 44 Minuten. Daraus ergibt sich, dass in 10 Minuten Strom für 41 Meilen (66 km) nachgeladen wird. Bei der Extended-Range-Variante dauert der Vorgang nur 41 Minuten. Daraus errechnet sich, dass in 10 Minuten Strom für 54 Meilen (87 km) nachgeladenw erden können.

Ford F150 Lightning mega power frunk open

Mega Power Frunk: Riesiger vorderer Kofferraum

Eines der Highlights des F-150 Lightning ist der riesige vordere Kofferraum – der größte Frunk in der bisherigen Geschichte des Elektroautos. Er hat ein Volumen von 400 Litern und kann mit bis zu 400 Pounds (etwa 180 Kilo) beladen werden. 

Nancy Reppenhagen, die Verantwortliche für den Mega Power Frunk, gab mir eine Übersicht über die Funktionen. Neben dem riesigen Volumen gefällt mir vor allem, dass der Grill in die Motorhaube integriert ist, was ein einfaches Be- und Entladen ermöglicht (siehe Bild oben). 

Ich erinnere mich noch gut daran, wie ich in den tiefen Kofferraum des Rivian R1T geschaut habe und mich fragte, wie man da wohl schwere Gegenstände hinein- und herausheben soll. Ford hat dieses Problem eliminiert. Die Höhe der Ladekante ist mit der eines Ford Expedition vergleichbar.

Rouge Electric Vehicle Center: Das Produktionswerk

Ford baut ein neues Werk für den F-150 Lightning, und ich konnte es bereits besichtigen. Es handelt sich um eine etwa 4,6 Hektar große Anlage, was für eine Auto-Montagefabrik nicht besonders groß ist. Laut Ford machen es Robotertechnik und eine Optimierung des Platzbedarfs möglich, mehr auf deutlich kleinerer Fläche zu produzieren. 

Auf der Montagelinie wird der F-150 Lightning auf autonomen elektrisch angetriebenen Fahrzeugträgern bewegt. Diese Träger sind mit hydraulischen Hebevorrichtungen ausgestattet und heben die Fahrzeuge automatisch auf genau die Höhe, die optimal für den Arbeiter (oder Roboter) an einer Station ist. Die Träger folgen einem Magnetstreifen, der in den Boden eingelassen ist. Sie werden sogar aufgeladen, während sie der Linie folgen.

Ford F150 Lightning amerikanische Flagge Abzeichen
Der F-150 Lightning erhält ein Logo aus einer amerikanischen Flagge und einem Blitz

Fazit und Ausblick: Bald werden wir ihn richtig testen

Dies war unser erster Blick auf den Ford F-150 Lightning aus nächster Nähe, aber es wird nicht der letzte sein. Wir werden die Entwicklung begleiten. Ich persönlich glaube, dass der F-150 Lightning das wichtigste Elektrofahrzeug seit der Einführung des Model S von Tesla sein könnte. 

Der F-150 wird wohl nicht der erste in Serie gefertigte Elektro-Pick-up sein. Diesen Titel wird wahrscheinlich der Rivian R1T holen. Aber der Grundpreis des R1T ist fast doppelt so hoch wie der für die Pro-Ausstattung des F-150 Lightning, und der R1T ist nicht wirklich ein Arbeitstier, sondern eher ein Abenteuerfahrzeug. Daher wird der F-150 Lightning ein viel breiteres Publikum ansprechen und kann beweisen, dass Elektroautos für den Massenmarkt taugen. 

Ob der F-150 Lightning für Arbeitseinsätze geeignet ist, bei denen schwere Lasten transportiert und lange Strecken zurückgelegt werden müssen, werden wir bald herausfinden: Ich habe einen Lightning bestellt, der zu den ersten Auslieferungen gehören müsste.