Fahrleistungen wie ein Sportwagen, aber null Emissionen und dazu noch so viel Innenraum wie ein Van oder SUV: Was bei Verbrennern undenkbar war und ist, macht der Elektroantrieb möglich. Ein Beispiel ist der Ford Mustang Mach-E in der Topversion GT. Wir haben das Auto nun in Kroatien auf kurvigen Bergstraßen getestet.
Ein paar neue Einsichten zur Technik des Mach-E generell haben wir bereits gestern in einem Artikel verarbeitet, naher fassen wir uns in der Hinsicht hier kurz. Der GT ist die Topversion der Baureihe. Die 88-kWh-Batterie sorgt für eine WLTP-Reichweite von 500 Kilometern. Den Antrieb erzeugen offenbar zwei gleich starke E-Motoren mit je 221 kW. Doch die Batterie gibt nur 358 kW ab, was deshalb die Systemleistung darstellt.
Bildergalerie: Ford Mustang Mach-E GT (2021) im Test
Ähnlich sprintstark wie ein Porsche 911
Auch mit "nur" 358 kW braucht der Mustang Mach-E GT nur 4,4 Sekunden für den Sprint von 0 auf 100 km/h. Das ist der Wert für den traditionellen Start aus dem Stand. Für den Rollstart gibt Ford 3,7 Sekunden an. Zum Vergleich: Der Porsche 911 braucht 4,2 Sekunden für den Standardsprint. Der Mach-E GT hat also wirklich Fahrleistungen wie ein Sportwagen, auch wenn die Höchstgeschwindigkeit auf 200 km/h begrenzt ist.
Subjektiv fühlt sich das Ganze wirklich so brachial an wie es klingt: Man wird wirklich in den Sitz gepresst, und es macht einen Höllenspaß, immer wieder mal die Sau rauszulassen, wenn die Bahn frei ist. Auch wenn das jedes Mal nur ein paar Sekunden dauert, wenn man sich auf Tempo-90-Straßen befindet wie in Kroatien.
Ein Nachlassen der Leistung war bei diesen wiederholten Adrenalin-Orgien für mich nicht spürbar. Allerdings waren bei den Streckenverhältnissen aber auch nicht mehrere solche Versuche direkt nacheinander machbar. Ob die Beschleunigungsleistung auch zehnmal nacheinander abrufbar ist, wie Porsche es für den Taycan behauptet, können wir nicht sagen.
Ob bei einem 3,7-Sekunden-Auto der Verbrauch eine Rolle spielt? Wahrscheinlich nicht unbedingt. Bei mir zeigte der Bordcomputer Werte zwischen 21 und 24 kWh an. Nicht eben wenig, aber auch nicht wesentlich mehr als zum Beispiel beim EV6, wo mein mitfahrender Kollege und ich auf dieselben Werte kamen.
Fahrmodi von Zahm bis Temperamentvoll
Das Fahrverhalten wird deutlich vom gewählten Modus beeinflusst. Davon gibt es im normalen Mach-E drei, die auf Deutsch Zahm, Aktiv und Temperamentvoll heißen. Dazu kommt beim GT noch der Rennstrecken-Modus Temperamentvoll Plus, dazu gleich noch mehr.
Die Reaktion auf das Gaspedal wird von Modus zu Modus giftiger und das Fahrwerk härter; dass die Lenkung direkter wird, konnte ich aber nicht wirklich spüren. Wenn man jedoch bei konstantem Pedaleinsatz einen sportlicheren Modus aktiviert, ist der Unterschied klar zu erkennen – auch wenn der Mach-E dann keinen Satz vorwärts macht wie der Kia EV6.
Etwas hartes MagneRide-Fahrwerk
Auch die Spreizung beim Fahrwerk ist deutlich. Die sportlicheren Modi waren deutlich zu hart für die kroatischen Fahrbahnverhältnisse. Und selbst in Zahm fühlte ich mich manchmal wie ein auf und ab hüpfender Gummiball. Wer empfindlich ist, für den wird das Fahrwerk also wohl zu hart sein. Ähnlich empfand das Kollege Fabio übrigens bei seinem Stromverbrauchstest mit dem Mach-E.
Allerdings hätte Ford wohl die Möglichkeit, die Abstimmung des Fahrwerks noch nachträglich zu ändern. Denn es handelt sich um elektronisch verstellbare Stoßdämpfer, und da kann man wohl die Kennlinie per Over-the-Air-Update noch optimieren. Für Nerds interessant: Die Dämpfer arbeiten nach dem magnetorheologischen Prinzip, das heißt, hier wird über ein Magnetfeld die Viskosität der Hydraulikflüssigkeit variiert: Nicht neu, aber immer wieder erstaunlich, dass das funktioniert.
In der Kurve liegt der Mach-E GT sehr gut. Da ist kein Wanken zu spüren, der Wagen liegt stets satt und parallel zum Asphalt. Auf dem trockenen Teer haben wir das Auto nicht zum Ausbrechen gebracht – anders als den EV6 auf feuchter Straße. Doch der Mach-E soll leicht hecklastig sein, was wegen der hinten übereinander gestapelten Batteriemodulen plausibel ist (siehe unser oben verlinkter Technik-Artikel).
Auch die serienmäßigen Sportsitze sind hervorragend: Sie sind nicht hart, sondern sehr bequem. Ob sie auch in scharf gefahrenen Kurven ausreichend Seitenhalt bieten? Das tun sie, allerdings wird Seitenhalt im Sitz wegen des minimalen Kurvenwankens kaum gebraucht.
Der Modus Temperamentvoll Plus und der bucket
Zu dem Spezialmodus Temperamentvoll Plus (was die Übersetzung von Unbridled Extend ist), hat schon Tom Moloughney in seinem Test des GT einiges gesagt. Der Modus sorgt für ein späteres Eingreifen des ESP. Zudem soll er verhindern, dass auf der Rennstrecke nur eine schnelle Runde gefahren werden kann, bevor die Leistung durch Überhitzung nachlässt.
In diesem Modus wird der Batterie nur eine bestimmte Energiemenge entnommen – so viel, wie in einen so genannten bucket passt, erklärte mir der europäische Ford-Chefentwickler Matthias Tonn. Wie groß diese Energiemenge in Amperestunden ist, hängt von der Umgebungstemperatur ab, vom Ladestand und davon, was man vor der Rennstrecken-Fahrt mit der Batterie gemacht hat (ob man zum Beispiel Autobahn gefahren ist oder durch die Stadt). Jedenfalls: Wenn der bucket leer ist, wird gewartet, bis sich die Batterie wieder erholt hat; dann hat man nur eine eingeschränkte Leistung zur Verfügung.
Rekuperation: Wenig variabel
Was die Rekuperation angeht, so sind die Einstellmöglichkeiten beim Mach-E beschränkt. Vor allem gibt es keine Lenkrad-Paddles, mit denen man schnell mal vor einer Kurve, vor der roten Ampel oder an einem Abhang eine stärkere Rekuperation aktivieren könnte – das ist schade.
Immerhin kann man das One-Pedal-Driving an- oder abschalten. Ist es aktiviert, lässt sich durch Gaswegnehmen gut verzögern, wenn auch sich das lang nicht so vehement anfühlt wie die Beschleunigung. Vermutlich wird hier nicht mit der maximal physikalisch möglichen Kraft verzögert, sondern weniger stark – aus Rücksicht auf Leute, die das Gaspedal unbedacht "schnalzen lassen".
Für die maximale Rekuperation muss man die Bremse betätigen, das heißt, der Ford mischt rekuperative und mechanische Bremse, während Tesla auf dieses Blending verzichtet und die beiden Bremsarten streng trennt, wie wir seit dem Test-Video von Kyle Conner zum Model S Plaid wissen.
Beim Ford lässt sich die Stärke der Energierückgewinnung außer über den One-Pedal-Modus noch über den normalen Fahrmodus beeinflussen. Diesen Effekt werden aber wohl nur Tester mit ganz exakt funktionierendem "Popometer" spüren – ich jedenfalls nicht.
Cockpit: Bedienung fast immer per Touchscreen
Statt die Rekuperation kurzfristig per Lenkradpaddles verändern zu können, muss man beim Mach-E immer in die Tiefen der Touchscreen-Menüs eintauchen. Und damit sind wir schon direkt bei der problematischen Bedienung des Mach-E. Wie schon Kollege Roland in seinem Test des normalen Mach-E feststellte, birgt die Bedienung per Touchscreen ein erhebliches Ablenkungspotenzial.
Die Augen von der Straße nehmen muss man auch, wenn man einen anderen Fahrmodus einstellen will, oder sogar, wenn man checken will, welcher gerade aktiv ist. Denn das kleine Instrumentendisplay hinter dem Lenkrad zeigt den Fahrmodus nicht an. Auch ein Head-up-Display wie etwa beim Kia EV6 oder VW ID.4 gibt es im Mach-E nicht.
Der große Touchscreen erübrigt die Anbringung von vielen Tasten und Schaltern, was den Innenraum schön aufgeräumt erscheinen lässt. Die Bedienphilosophie ist hier sehr ähnlich wie beim Tesla Model Y, das zu den Hauptkonkurrenten zählt. Auch bei Tesla wird alles per Touchscreen eingestellt. Schickes Detail beim Ford: der integrierte Drehknopf im unteren Bereich.
Nicht so schick finde ich die Kartendarstellung, die ähnlich spartanisch wirkt wie etwa bei älteren Volvo-Modellen: Hier dominieren Schwarz und Weiß, eine detailreiche Darstellung wie beim Kia EV6 oder gar fotorealistische Bergkulissen wie beim VW Touareg oder bei Audi-Modellen darf man hier nicht erwarten.
Cooles Feature: Entriegeln per Nummern-Pad
Um die Türen des Mach-E zu öffnen, muss man einen kleinen Knopf an der B-Säule drücken; dann öffnet sich die Fahrertür einen Spalt weit und man kann sie an dem kleinen Hebel aufziehen. Analog geht es an allen anderen Türen.
Ein schönes Feature ist (zumindest für mich als technoid denkenden Halb-Nerd) die Nummerneingabe an der B-Säule: Damit kann man den Schlüssel im Auto lassen, wenn man im See schwimmen geht. Kommt man zurück, gibt man den vorher festgelegten siebenstelligen Code ein, und das Auto ist offen.
Sie haben Angst, dass Sie sich die siebenstellige Nummer nicht merken können? Nun, nehmen Sie einfach den PIN Ihrer Bank-Karte und hängen Sie 123 an. Oder Sie nutzen die Telefonnummer einer Freundin. Genesis nutzt für den selben Zweck beim GV60 eine Gesichtserkennung per Infrarotkamera. Ob das verlässlicher ist als das eigene Gedächtnis? Ich vermute nein; vielleicht ändert ja schon die zum Schwimmen abgesetzte Brille eine Erkennung.
Fond und Kofferraum
Im Fond des Mach-E ist ausgesprochen viel Platz. Bei mir als 1,76 Meter großem Testpassagier bleibt eine knappe Faustbreit über dem Kopf und ich kann sogar die Beine übereinanderschlagen. Auch der Kofferraum scheint gut nutzbar zu sein. Laut Preisliste lässt sich der Kofferraumboden sogar in zwei unterschiedlichen Höhen einlegen. Der Stauraum ist mit 402 bis 1.420 Liter nicht ganz so groß wie bei einem VW ID.4 (543-1.575 Liter), doch dafür kommt hier noch der ziemlich geräumige vordere Kofferraum hinzu. Ohne das Trennsystem fasst er 100 Liter.
Assistenzsysteme: Die Intelligenz lässt zu wünschen übrig
Der Mach-E verfügt über einen intelligenten Abstandstempomat. Damit lässt sich das Tempolimit automatisch übernehmen. Das funktioniert im Grunde ganz gut (jedenfalls um Längen besser als beim EV6), doch es gibt noch Verbesserungspotenzial. Hat man den Abstandstempomat zum Beispiel auf 100 km/h eingestellt, und es folgt ein Tempo-80-Schild, wird die Geschwindigkeit erst direkt beim Passieren des Schildes verringert – das ist zu spät.
Ganz zu schweigen davon, dass die Technik in Sachen "Intelligenz" weit hinter der von Audi oder BMW (zum Beispiel im iX) zurückbleibt. Das System agiert nicht vorausschauend, ein Tempolimit hinter einer Kuppe zum Beispiel wird nicht in die Temposteuerung einbezogen. Genauso wenig scharfe Kurven, Kreisverkehre oder Abbiegepunkte.
Der Spurhalteassistent dagegen funktionierte auf den gefahrenen Strecken gut, nur selten kommt der Appell zum Anfassen des Lenkrads. Das Auto ist von der Hardware schon auf Blue Cruise vorbereitet, sagte man mir bei Ford. Das ist das in den USA bereits verfügbare teilautonome Fahrsystem. Mehr dazu gibt es bei unseren US-Kollegen von InsideEvs.com zu sehen und zu lesen. So könnte der Ford also auch bei uns zu den ersten Autos gehören, die auf der Autobahn halbautonom im "Hands-Free-Modus" fahren – sobald die Behörden den Weg frei machen.
Preise und Konkurrenz
Den Ford Mustang Mach-E GT gibt es für 72.900 Euro. Das Auto taucht bereits in der BAFA-Liste (PDF) auf; mit einem Nettopreis von 61.260 Euro (also zwischen 40.000 und 65.000 Euro) qualifiziert sich der GT für einen Umweltbonus von 7.500 Euro.
Anders als von Ford ursprünglich angedacht, gelten die höheren Mach-E-Versionen nicht als Upgrades der Basisversion – dieses Vorgehen hat die zuständige Behörde BAFA nicht anerkannt. Vermutlich wird sie den Trick auch beim Kia EV6 nicht akzeptieren, wo der Hersteller ebenfalls versucht, die maximale Förderung für alle Modellvarianten zu erhalten.
Apropos EV6: Dieses Modell gehört mit der Topversion GT auch zu den Hauptkonkurrenten des Mach-E GT. Der Kia lädt deutlich schneller (mit bis zu über 200 kW, beim Mach-E GT sind es maximal 150 kW), hat dafür aber nur 400 km Reichweite, während der Ford mit 500 km angegeben ist. Der Kia-GT ist dabei mit 3,5 Sekunden noch sprintstärker als der Ford-GT. Und er ist mit knapp 66.000 Euro günstiger.
Der zweite Konkurrent ist das Tesla Model Y Performance, das mit bis zu 250 kW auch extrem schnell lädt und mit 480 km ähnlich weit kommt wie der Ford. Die Sprintzeit mit Rollstart ist identisch mit der des Mustang Mach-E GT – wohl kein Zufall. Auch hier ist der Preis mit rund 65.000 Euro niedriger als bei Ford.
Fazit: Spaßbringer mit Schwächen
Braucht man ein Elektroauto, das in 3,7 Sekunden auf 100 beschleunigt? Natürlich nicht. Macht es Spaß, damit Gas zu geben? Natürlich schon. Ob sich die bestmögliche Sprintzeit zehnmal reproduzieren lässt, spielt dabei keine Rolle, denn so zahlreich sind die Gelegenheiten im öffentlichen Verkehr nicht. Aber wenn es mal geht, tut man es.
Der Mach-E GT macht also wirklich Spaß. Dazu gehört auch das gute Kurvenverhalten und das coole Feature der Entriegelung per Nummern-Code. Doch er hat starke Konkurrenz. So ist der Kia EV6 GT noch sprintstärker und das Tesla Model Y Performance lädt schneller; zudem sind beide billiger als der Ford.
Zu den gravierendsten Nachteilen des Mach-E GT gehören für uns das etwas harte Fahrwerk und die ablenkende Bedienung per Touchscreen. Schwächen gibt es also durchaus, wie bei jedem Auto. Aber vielleicht ist es mit Fahrzeugen ja ähnlich wie bei Büchern: Einem guten Schriftsteller verzeiht man so manches, hat mal ein kluger Kopf geschrieben. Man denke nur an die endlos langen Sätze von Thomas Mann oder die Wortwiederholungen bei Kafka. Aber das ist nun wirklich ein anderes Thema ...
Ford Mustang Mach-E GT