Während manch Medium in Funk und Fernsehen schon den Untergang der deutschen Autoindustrie durch Modelle aus China an die Wand malt, sieht die Realität noch deutlich anders aus. Die Verkaufszahlen von Nio, BYD und Co. sind hierzulande überschaubar, weil erst ein Händlernetz aufgebaut wird und man preislich kaum günstiger ist. Hinzu kommt eine gewisse Skepsis der Kunden gegenüber chinesischen Marken.
Einzige Ausnahme ist MG: Das zum größten chinesischen Autokonzern SAIC gehörende Unternehmen rechnet für 2023 mit gut 20.000 Neuzulassungen in Deutschland, in ganz Europa sogar mit 200.000. Starken Anteil daran hat der MG4 Electric, ein gut durchdachtes Elektroauto im Format des VW ID.3 zum verhältnismäßig günstigen Preis.
Bildergalerie: MG4 Electric XPOWER (2023) im Test
Was ist das?
Jetzt legt man im Modellprogramm noch eine Schippe drauf. Und das in zwei Richtungen: Zum einen der "Trophy Extended Range" mit 77-kWh-Akku, bis zu 520 Kilometer Reichweite nach WLTP und bis zu 144 kW Ladeleistung. Zum anderen der enorm starke "XPower" mit 320 kW Leistung, 600 Nm maximalem Drehmoment und 3,8 Sekunden Beschleunigung auf 100 km/h. Er ist zudem der einzige MG4 mit Allrad.
An der Vorderachse gibt es eine E-Maschine mit 150 kW Spitzenleistung, 170 kW sind es an der Hinterachse. Dauerleistung: 68 respektive 84 kW. Die Nickel-Kobalt-Mangan-Batterie speichert brutto 64 kWh Energie (61,7 kWh netto), was 385 Kilometer Reichweite ermöglichen soll. Ein Track-Tool soll der extreme MG4 laut seinen Erbauern aber nicht sein.
Während VW also noch immer an einem potenziellen ID.3 GTX tüftelt, schafft MG Tatsachen mit einem fetten Ausrufezeichen. Bereits bekannt und bewährt ist die durchaus schnittige Optik des MG4. Im Fall der beiden neuen Versionen kommt ein schwarzes Dach hinzu, den XPower erkennt man an den orangefarbenen Bremszangen und neuen 18-Zoll-Felgen. Nur hier gibt es zudem als Option die Sonderfarbe "Hunter Green", die Sie auf den Fotos sehen.
Diese eher dezente Gesamtnote macht einen gefälligen Eindruck, ebenfalls der mit Alcantara aufgewertete Innenraum. "Raum" ist hier zutreffend, denn auf 4,29 Meter Länge gibt es genug Platz für vier Passagiere. Mit 363 bis 1.177 Liter Kofferraumvolumen auch fürs Gepäck. Lediglich die recht massiv hineinragende Mittelkonsole mag manches Fahrerknie stören, im Gegenzug erfreuen zahlreiche große Ablagen.
Die beiden Monitore würden andere Hersteller womöglich schöner ins Cockpit integrieren, aber so spart man eben auch Geld. MG hat den 4 seit dem Marktstart sukzessive aufgewertet, so forderte die Kundschaft eine dritte Kopfstütze oder einen Heckscheibenwischer. Die maue Sicht nach hinten verbessert er aber auch nicht.
Zudem gibt es jetzt das von vielen geschätzte "One-Pedal-Driving", leider muss es jedesmal neu per Touchscreen aktiviert werden. Generell könnte besagter Touchscreen noch etwas flotter arbeiten. Negativ fiel uns auch die Klimatisierung auf, sie bläst gefühlt immer zu kühl.
Wie fährt er sich?
Blasen liefert das Stichwort für unsere Testfahrt. Doch bevor es losgeht, muss das Bremspedal stark getreten werden, um fahrbereit zu sein. Einen klassischen Startknopf sucht man vergebens. Zunächst geht es durch den Stadtverkehr zur Autobahn, hier gefällt der MG4 XPower mit nicht übertriebener Straffheit und angenehm direkter Lenkung. XPower SV hieß übrigens vor 20 Jahren ein nur 64-mal gebauter Extrem-MG mit Ford-V8.
Diese Fahrzeuge würde der elektrische XPower im Ampelduell locker besiegen. Auf der Beschleunigungsspur der (zum Glück ziemlich freien) Autobahn latschen wir voll aufs Fahrpedal.
Was dann passiert? Ein "LMAA!" als erste spontane Reaktion meiner Wenigkeit, da die Ziffern auf dem Digitaltacho in irrem Tempo (aber nicht zu brutal für die Perestaltik) Richtung 160 rasen. Und das war "nur" der Normal-Modus. "Sport" legt auch dank einer etwas spitzeren Lenkung noch eine Schippe drauf, während sich "Eco" für die Alltagsfahrt mit Hinterradantrieb empfiehlt.
Was kostet das Ganze?
Hochpreisige Sportwagen aus Zuffenhausen oder Maranello könnte der kleine MG gut ärgern, jedoch vereiteln abgeregelte 200 km/h Spitze und ein Verbrauch von über 20 kWh mehr. Aber warum auch? Mit 240 über die linke Spur ballern, mag zwar die Devise von Kalle Grabowski aus "Bang Boom Bang" gewesen sein. Zitat: "Dat is meine Art von Freiheit!" Freiheit kann aber auch sein, die enormen Leistungsreserven des XPower auszunutzen, um ohne Gefahr einen Lastwagen überholen zu könen.
Muss man 435 PS haben? Natürlich nicht. Aber bei wohl kaum einem anderen Anbieter gibt es sie so günstig wie bei MG. 46.990 Euro werden in Deutschland für den XPower aufgerufen, abzüglich aller aktuellen Förderungen liegt man bei 39.812,50 Euro. Nur mal zum Vergleich: Ein konventioneller Audi RS 3 Sportback mit gleicher Beschleunigung kostet 62.000 Euro und mehr.
Fazit:
Gewiss braucht niemand derart viel Leistung wie im MG4 XPower. Aber man setzt damit ein Statement, auch durch den in der Relation günstigen Preis. Insgesamt bietet die MG4-Modellpalette nun für jeden etwas. Unser Preis-Leistungs-Tipp ist der "Comfort" mit 450 Kilometer Reichweite für 39.990 Euro vor Prämien.
MG4 XPower (2023)