Moderne Autos haben immer mehr Funktionen, und statt den ganzen Innenraum mit Tasten zuzupflastern, spricht nichts dagegen, etliche davon per Touchscreen zu bedienen. Sicherheitsrelevante Funktionen aber, die man schnell finden muss, wie Blinker, Scheibenwischer oder Warnblinkanlage, sollten physisch bedienbar sein.

Dieser Meinung sind offenbar nicht nur wir. Denn ab 2026 soll es im EuroNCAP-Test die Maximalwertung nur mehr geben, wenn physische Bedienelemente für bestimmte Funktionen vorhanden sind.  

Der EuroNCAP-Crashtest ist seit Jahrzehnten die entscheidende Instanz in Sachen Sicherheit. Neben der passiven Sicherheit (also der Crashsicherheit) wurde in den letzten Jahren die aktive Sicherheit (also die Unfallvermeidung) immer wichtiger. So werden nun auch Anti-Kollisionssysteme und anderes bewertet. Zur Unfallvermeidung ist es aber auch wichtig, dass die Person am Steuer möglichst wenig von der "Fahraufgabe" abgelenkt wird. Hier sehen die Fachleute die Bedienung per Touchscreen kritisch.

Volvo EX30: Die Außenspiegel müssen über den Touchscreen eingestellt werden

Nicht optimal: Im Volvo braucht man zum Einstellen der Außenspiegel den Touchscreen

So soll es zukünftig Minimal-Standards für die physische Bedienung über Tasten und Knöpfe geben. Nur wer diese erfüllt, soll noch die volle Fünf-Sterne-Wertung erhalten, berichtet die Automobilwoche unter Berufung auf einen LinkedIn-Post von EuroNCAP-Manager Matthew Avery.

EuroNCAP will seine Prüfkriterien ab Januar 2026 entsprechend abändern. Dann sollen fünf Funktionen über physische Bedienelemente wie Tasten oder Schalter gesteuert werden können: die Blinker, die Warnblinkanlage, die Hupe, die Scheibenwischer sowie die Aktivierung des eCall-Systems, also des Notrufs über eine integrierte SIM-Karte.

Laut Automobilwoche sollen die neuen Kriterien vor allem für Tesla ein Problem sein. Denn dort müssten die Scheibenwischer teils per Touchscreen aktiviert werden. Das stimmt allerdings nicht ganz, wie uns Leser Lars T. schrieb, und er hat Recht: Im gelifteten Tesla Model 3 gibt es zwar keinen Hebel für die Scheibenwischer, aber einen Knopf auf der rechten Seite des Lenkrads, wie klar aus der Tesla-Bedienungsanleitung hervorgeht. Beim Model Y gibt es zwar laut Bedienungshandbuch weder einen Wischerhebel noch den besagten Knopf, dafür aber eine Taste am Ende des Blinkerhebels.

Tesla Model 3 Highland: Geblinkt wird mit zwei Pfeiltasten links am Lenkrad

Beim gelifteten Tesla Model 3 wird mit Pfeil-Tasten am Lenkrad geblinkt, nicht per Hebel

Es ist auch die Frage, ob die problematische Blinker-Bedienung beim gelifteten Tesla Model 3 durchfallen würde. Denn hier gibt es ja physische Bedienelemente, auch wenn es damit sehr schwerfällt, beim Verlassen des Kreisverkehrs vorschriftsmäßig zu blinken.

Hersteller reagierten gelassen auf die Ankündigung. So sagte Volvo, man unterstütze das Ziel, Ablenkungen zu vermeiden, doch die bekannten neuen Anforderungen seien in der eigenen Modellpalette bereits umgesetzt. Beim EX30 werden die Außenspiegel per Touchscreen eingestellt, doch diese Eigenheit ist von der EuroNCAP-Ankündigung offenbar nicht betroffen.

Ähnlich reagierten auch Mercedes und VW auf die Anfrage der Automobilwoche. Physische Bedienelemente für die fünf Funktionen seien sinnvoll, so Mercedes. VW wollte sich nicht zu den geplanten Neuerungen äußern, meinte aber, bei den eigenen Autos würden grundlegende Funktionen ohnehin schon über physische Tasten bedient.

Unter dem Strich

Immerhin fünf wichtige Funktionen im Auto sollen künftig mit physischen Bedienelementen nutzbar sein: Mit dieser Forderung tun die EuroNCAP-Fachleute einen Schritt in die richtige Richtung. Aber sie sollten die Zügel ruhig noch fester anziehen, so dass die Hersteller die Bedienbarkeit der Autos verbessern.

Auch wenn wir nun gleich wieder Protest-Mails von den Fans erhalten: Hier ist Tesla nun wahrlich kein Meister. Der Knopf für die Warnblinkanlage am Dach oder die Blinkerknöpfe beim Model 3 Facelift sowie der Knopf für die Scheibenwischer am Ende des Blinkerhebels beim Model Y sind Beispiele. Auch eine Sprachbedienung reicht nicht – daran denken allzu wenige Leute, vor allem wenn sie das Auto nicht gut kennen.