Ob mit Permanentmagneten oder ohne, ob synchron oder asynchron: Alle heutigen Elektroautos haben Radialflussmotoren. Doch seit einiger Zeit machen die so genannten Axialflussmaschinen von sich reden. Dabei ist das Magnetfeld (oder der magnetische Fluss) parallel zur Motorwelle aus gerichtet (während es bei den Radialflussmaschinen radial davon wegführt).
General Motors hat nun ein Patent angemeldet zu einem solchen Motor; die Besonderheit daran ist ein spezielles Hydrauliksystem. Dieses soll eine so genannte Feldschwächung erzeugen und könnte zu sparsameren Motoren führen.
An Axialflussmaschinen arbeitet vor allem die Mercedes-Tochter Yasa in Berlin; diese Motorart soll bei der Plattform AMG.EA zum Einsatz kommen. Doch auch GM hat Patente zu Axialflussmaschinen eingereicht, und zwar gleich dutzendweise. Über eines davon berichtet nun Peter Holderith auf Motor1 USA.
Axialflussmaschinen gelten als gute Lösung, wenn man einen sehr kompakte und trotzdem leistungsstarken Motor benötigt. Zu den Nachteilen gehört die schwierige und teure Produktion. Weil Axialflussmaschinen ohnehin teure Motoren hoher Leistungsdichte sind, handelt es sich in der Regel um Permanentmagnetmotoren (PSMs). Denn PSM haben die gleiche Charakteristik: Sie sind wegen der Magnete teuer, bieten dafür aber eine höhere Leistungsdichte als Induktionsmotoren.
Alle Permanentmagnet-Maschinen haben in der Regel das gleiche Drehzahl- und Leistungsdiagramm (siehe oben): Bis zur Nenndrehzahl haben sie ein konstantes Drehmoment. Danach fällt das Drehmoment ab, das Feld wird geschwächt. Das zeigt die blaue Kurve im obigen Diagramm. Für die Beschleunigung ist das schlecht, aber in Sachen Effizienz wünschenswert.
Denn während man bei Verbrennungsmotoren hohe Drehzahlen wegen des erhöhten Verbrauchs zu vermeiden sucht und dafür lieber das Drehmoment erhöht, ist es bei Elektromotoren genau andersherum. Hier ist das Drehmoment der böse Bube, denn bei höherem Drehmoment steigt die Stromstärke und damit nehmen die Verluste zu.
Die Feldschwächung wird normalerweise durch die Inverter-Software erreicht. Das GM-Patent dagegen verwirklicht die Feldschwächung auf mechanischem Wege. Bei dem Motor handelt es sich um einen so genannten Außenläufer, das heißt, der sich drehende Rotor liegt außerhalb des Stators (statt innen wie bei den allermeisten heutigen Elektroauto-Motoren). Außenläufer sind bei Direktantrieben beliebt, also bei Systemen ohne Getriebe. Ein Beispiel für einen (Radialfluss-)Außenläufer in der Radnabe zeigt das folgende Video:
In dem Film ist gut der silberfarbene Rotor zu erkennen, der sich um den innenliegenden Stator (mit den Kupferwicklungen) dreht. Zu sehen ist auch, wie das Feld verändert werden kann, indem der Stator aus dem Ring herausgezogen wird: Das elektromagnetische Feld schwächt sich ab, und die Drehzahl nimmt zu – das Rad dreht sich schneller und schneller.
Die Feldabschwächung ist wie ein Zweigang-Getriebe eine Methode, um den Motor in einen anderen Betriebsbereich zu bringen, der für eine bestimmte Situation besser geeignet ist.
Warum aber sollte man auf aufwendige mechanische Systeme zurückgreifen, wenn man das Gleiche auch durch die Inverter-Software erreichen kann? Nun, die Feldabschwächung über den Inverter ist mit Verlusten verbunden, schreibt Peter Holderith. Deshalb können mechanische Systeme zu niedrigerem Stromverbrauch führen.
Und warum wird das System bei einem Axialflussmotor eingesetzt? Weil die mechanische Feldschwächung hier einfacher erreichbar ist. Bei einem Axialflussmotor bestehen Rotor und Stator aus zwei parallelen Scheiben mit einem Spalt dazwischen. Wenn der Motor eingeschaltet wird, dreht sich der Rotor, aber die Scheiben ziehen sich auch gegenseitig magnetisch an.
Die Anziehungskraft zwischen den Platten ist extrem hoch. Sie trotzdem auseinanderzuhalten, ist normalerweise kein Problem, weil die Scheiben in festen Lagern laufen. Um eine mechanische Feldschwächung zu erreichen, muss man den Abstand zwischen Rotor und Stator jedoch verändern können – bei größerem Abstand wird das Feld schwächer.
GM erreicht das mit einem hydraulischen System. Wenn man den Druck im Hydraulikkreislauf erhöht, wird der Abstand der Scheiben verringert. Das steigert das Drehmoment, senkt aber die Drehzahl (gut für die Beschleunigung, schlecht für den Verbrauch). Wenn man den Abstand vergrößert, sinkt das Drehmoment, die Drehzahl steigt (schlecht für die Beschleunigung, aber gut für den Verbrauch).
Yasa-Axialflussmotor: Typisch ist die geringe Tiefe, deswegen nennt man solche Elektromotoren auch Scheibenläufer
Mit dem hydraulischen Feldschwächungssystem könnte man Fahrzeugen mit niedriger Spannungslage zu mehr Drehmoment vom Start weg verhelfen. Um trotz eines relativ schwachen Motors eine bestimmte Zielgeschwindigkeit zu erreichen (zum Beispiel 130 km/h), könnte der Abstand zwischen Stator und Rotor erhöht werden.
Ähnlich bei schweren elektrischen Nutzfahrzeugen: Sie benötigen zum Anfahren ein enormes Drehmoment, beim Erreichen der Endgeschwindigkeit aber weniger, wie Motorenhersteller Baumüller auf seiner Website zum Thema Feldschwächung erklärt.
Die obige Grafik aus der Patentschrift erklärt das Prinzip gut: Die durchgezogene Linie zeigt einen Motor ohne Feldschwächung (oder mit geringer Schwächung). Hier ist das Drehmoment vom Start weg hoch, es fällt aber früh ab. Bei der gestrichelten Linie (mit starker Feldschwächung) ist das Drehmoment am Anfang geringer, aber der Bereich, in dem es verfügbar ist, wächst – man kann also auch noch bei hohen Drehzahlen (hohem Fahrtempo) beschleunigen.
Theoretisch könnte man den Spalt zwischen Rotor und Stator sogar kontinuierlich anpassen, um die Eigenschaften des Motors an die gerade herrschenden Bedingungen anzupassen – ähnlich wie bei CVT-Getrieben für Verbrennungsmotoren, bei denen sich die Übersetzung kontinuierlich ändern lässt (statt in Stufen wie bei einem normalen Verbrenner-Getriebe).
Unter dem Strich
Die GM-Idee zu einem hydraulischen System zur Feldschwächung ist technisch zweifellos interessant. Aber Axialflussmaschinen sind bekannt für ihre hohen Produktionskosten bekannt. Mercedes will von ihrer hohen Leistungsdichte profitieren, aber nur bei ausgesprochen sportlichen AMG-Fahrzeugen. Für den Massenmarkt eignet sich das System wohl weniger. Immerhin führte der Artikel von Peter dazu, dass wir uns das Prinzip der Feldschwächung genauer angesehen haben.
Unser Titelbild zeigt den Chevrolet Bolt EV aus dem GM-Konzern mit einer schematischen Darstellung des Axialflussmotors mit variablem Scheibenabstand.
Quelle: Motor1 USA, Baumüller (Feldschwächung)