Zunächst sah es bei VW aus, als wäre das Kürzel GTX ein Synonym für den elektrischen Allradantrieb. Doch nun startet mit dem ID.4 Pro 4Motion eine Allradversion ohne die drei Buchstaben. Wir haben jedenfalls die neue Version in Island getestet – auf kurvenreichen Straßen und auch auf Schotter.
Während der ID.4 GTX 4Motion die bekannten 220 kW bietet, kommt die neue Allradversion "nur" auf 195 kW und sprintet deshalb zwei Sekunden langsamer auf 100. Die unterschiedliche Systemleistung kommt durch die Software zustande – der ID.4 Pro 4Motion wird also leistungsmäßig heruntergeregelt, wie das auch bei Benzinern öfter gemacht wird.
Bildergalerie: VW ID.4 4Motion im Test
Bei der Antriebs-Hardware gibt es keinen Unterschied: Vorne wird eine Elektroachse von Magna mit einem 80 kW starken Asynchronmotor eingebaut, der sich nur zuschaltet, wenn er gebraucht wird. Die Primärachse, also diejenige, die normalerweise die Antriebsarbeit übernimmt, ist die Hinterachse mit einer 150 kW starken PSM-Maschine, die dem Vernehmen nach von Siemens-VDO stammt.
Das maximale Drehmoment der Pro-4Motion-Version wird von VW nicht angegeben, doch es dürfte ebenfalls etwas niedriger liegen als beim GTX (162 Nm vorne und 310 Nm hinten). Auch die zulässige Anhängelast ist beim Pro 4Motion etwas geringer (1.000 statt 1.200 Kilo bei 12% Steigung mit gebremstem Anhänger).
Leistung / 0-100 km/h | Anhängelast gebr. / ungebr. | Batterie / Reichweite | Basispreis | |
ID.4 Pro 4Motion | 220 kW / 8,5 Sek. | 1.000 / 750 kg | 77 kWh / 515 km | 49.020 € |
ID.4 GTX 4Motion | 195 kW / 6,3 Sek. | 1.200 / 750 kg | 77 kWh / 500 km | 53.255 € |
Der Normverbrauch ist mit 17,6 kWh/100 km beim GTX 0,6 kWh höher als beim normalen 4Motion. Auf Island, wo maximal Tempo 90 erlaubt ist, verbrauchten wir um die 20 kWh.
195 kW sind immer noch eine Menge Holz, und so fühlt man sich mit dem ID.4 4Motion nicht untermotorisiert. Im Gegenteil, auf kurvigen Straßen kommt schnell Fahrspaß auf, zumal im Direktvergleich mit dem kurz zuvor gefahrenen ID. Buzz, der mir im Nachhinein doch vergleichsweise dröge vorkommt. Dazu trägt wohl auch die niedrigere Sitzposition im ID.4 bei und die viel besser ausgeformten Sitze. Und während man in dem hohen ID. Buzz trotz der schweren Batterie manchmal doch ein wenig wankt, wenn es in die Kurve geht, bleibt der 30 Zentimeter niedrigere ID.4 stets parallel zum Asphalt.
Wie beim Buzz ist aber auch beim ID.4 kein richtiges One-Pedal-Driving möglich. Auch im B-Modus verzögert das Auto beim Gas-weg-Nehmen nicht sehr stark und kommt auch nicht komplett zum Stehen.
Im Cockpit ist die Armaturentafel nicht mit Leder bezogen wie beim GTX, aber sonst ist alles ziemlich gleich. Hie und da gibt es billig wirkendes Hartplastik, aber das ist beim GTX nicht anders. Bei den Knöpfen für die Fensterheber hat VW einen eingespart: Statt vier Knöpfen für die vier Fenster gibt es je einen für links und rechts, und einen, um zwischen vorne und hinten umzuschalten. Das spart wahrscheinlich nur einen einstelligen Euro-Betrag, macht aber ein bisschen Umdenken bei der Bedienung nötig.
Ein Manko in Sachen Ergonomie ist auch, dass der Drehschalter für die Fahrmodi P, N, R und D so angebracht ist, dass ich ihn von meiner Sitzposition aus nicht sehen kann, er liegt genau hinter dem Lenkradkranz – die Lösung mit dem Lenkstockhebel beim ID. Buzz ist besser. Zudem fühlen sich die Tasten am Lenkrad zuweilen wackelig an.
Bevor ich in Island aus dem Testwagen aussteige, gebe ich noch München ins Navi ein und hoffe, dass mir das Auto eine Ladestrategie entwickelt. Aber nichts da: Während mir der ID. Buzz genau angegeben hat, an welchen Ladestationen mit wie viel Ladeleistung ich wie lange laden sollte, sagt mir der ID.4 nur, dass ich am Ende der etwa 3.700 km langen Strecke eine leere Batterie haben werde. Möglicherweise liegt es an dem doch sehr weit entfernten Ziel mit viel Meer dazwischen oder an einem abweichenden Softwarestand.
Zum Schluss lerne ich noch, wie man einen Stein aus der Bremse entfernt. Bei unseren Fahrten auf Schotterstrecken muss sich ein Steinchen zwischen Bremsscheibe und Belag eingeklemmt haben. Auf den letzten Kilometern quietschte der ID.4 deshalb leise vor sich hin. Einfach rückwärts fahren und bremsen, sagt "Expeditionsleiter" Gerd. Und in der Tat: Nach ein paarmal Rangieren ist das Ding raus, das Quietschen und Schleifen ist weg.
Fazit: Der normale 4Motion reicht
Während man für den ID.4 GTX 4Motion 53.255 Euro zahlt, beginnen die Preise für den ID.4 Pro 4Motion schon bei 49.020 Euro. Man spart also rund 4.000 Euro. Dafür muss man auf etwas Sprintleistung, etwas Anhängertauglichkeit und etwas Ausstattung verzichten.
Als Alternative kann man sich den ebenfalls 195 kW starken Skoda Enyaq 80X ansehen. Mit 49.050 Euro kostet er praktisch genauso viel wie unsere Testversion. Mehr zahlt man für einen Hyundai Ioniq 5 mit Allradantrieb (ab 51.900 Euro) und erst recht für den Nissan Ariya 4x4 (ab 66.490 Euro). Selbst ein Allrad-SUV aus China wie der MG Marvel R Performance kostet 50.990 Euro.
VW ID.4 Pro 4Motion