Mit dem Seal bringt die China-Marke BYD schon ihr fünftes Elektroauto auf den deutschen Markt. Die 4,80 Meter lange Elektrolimousine tritt gegen das Tesla Model 3 an. Wir haben den Neuling bereits gefahren – in der 390 kW starken Topversion.
Seal bedeutet Seehund, und so gehört der BYD Seal denn auch in die "Ocean"-Serie, wie der kürzlich getestete BYD Dolphin ("Delfin"). Die auf dem Touchscreen laufende Software inklusive Navigation und manchen Assistenzsystemen, scheint im Wesentlichen die gleiche zu sein wie beim kleinen Bruder. Doch der Seal ist stärker, viel stärker.
Bildergalerie: BYD Seal (2023) im Test
Angeboten werden zunächst zwei Motorisierungen, die beide die gleiche Batterie erhalten; für 2024 wird aber schon eine weitere Version namens Comfort angekündigt, die einen kleineren Akku bekommt, und die es in China offenbar bereits gibt:
Comfort (ab 2024) | Design | Excellence | |
Antrieb | (RWD 150 kW) | RWD 230 kW | AWD 160+230=390 kW |
0-100 km/h / Spitze | k.A. | 5,9 Sek. / 180 km/h | 3,8 Sek. / 180 km/h |
Akku (brutto) | 61 kWh | 82,5 kWh | 82,5 kWh |
WLTP-Reichweite | k.A. | 570 km | 520 km |
Max. Ladeleistung AC / DC | (11 / 110 kW) | 11 / 150 kW | 11 / 150 kW |
Ladedauer DC (30-80%) | k.A. | 26 min | 26 min |
Preis | k.A. | k.A. | k.A. |
Äußerlich sieht der BYD Seal ausgesprochen schick aus. Hier hat BYD-Chefdesigner Wolfgang Egger (zuvor unter anderem verantwortlich für den sehr schicken Alfa 8C) ganze Arbeit geleistet. Die getestete Excellence-Version trägt am Heck nicht mehr die Erklärung des Markennamens (Build Your Dreams); stattdessen findet sich nur noch die Modellbezeichnung BYD Seal und die Angabe "3.8s" – denn das ist die Sprintzeit des Allradlers.
Dem entsprechend ist der Vortrieb der Limousine denn auch: Es drückt einen in den (gut ausgeformten) Sitz, dass es eine Lust ist. Bei jeder sich bietenden Gelegenheit habe ich das Pedal bis zum Blech durchgetreten, ohne dass es langweilig wurde. Dabei stimmt auch die Traktion: Trotz nasser Straßenoberfläche drehten die Räder des Allradlers nur einmal ganz kurz durch, ansonsten störte den Seehund die Nässe kein Bisschen. Beim Beschleunigen in der Kurve schwingt das Heck etwas stärker nach außen, aber ohne, dass es gefährlich wird.
Die Quittung unserer Beschleunigungsversuche war ein Stromverbrauch von rund 20 kWh/100 km – einen offiziellen WLTP-Stromverbrauch gibt BYD bislang nicht an.
Das Fahrwerk basiert auf Doppelquerlenkern vorne und einer Fünflenker-Hinterachse; bei der getesteten Excellence-Version kommen noch adaptive Dämpfer mit frequenzselektiver Regelung (das heißt ohne elektronische Steuerung) hinzu. Damit liegt der Wagen eher auf der harten Seite, aber ohne dass es auf den gefahrenen Strecken störte.
Innen verblüfft der Seal mit ausgesprochen hochwertigen Materialien und ebenso schickem Design wie außen. Besonders angetan hat es uns aber das riesige Glasdach, das bei allen Seal-Varianten serienmäßig ist. Es reicht von den Vordersitzen bis über die Häupter der Fondinsassen. Eine Besonderheit ist auch die hohe Mittelkonsole zwischen den Vordersitzen. Darunter finden sich ein USB-C-, ein USB-A-Anschluss sowie ein Anschluss für einen Zigarettenanzünder. Im Fond gibt es zumindest für eine 1,75 Meter große Person mehr als genug Kniefreiheit und auch über dem Kopf bleiben rund vier bis fünf Zentimeter.
Ähnlich wie im Dolphin guckt man auf ein rechteckiges Instrumentendisplay hinterm Lenkrad; in der Mitte des Armaturenbretts gibt es einen 15,2-Zoll-Touchscreen, der sich per Knopfdruck von horizontal auf vertikal drehen lässt.
Alles sehr schick, aber damit sind die Pluspunkte abgearbeitet. Was mir am Seal nicht gefällt ist: Der 400 Liter großen Kofferraum erschließt sich nicht über eine große Heckklappe wie beim VW ID.7, sondern es gibt nur einen Kofferraumdeckel wie beim Tesla Model 3 – unpraktisch für das Transportieren größerer Gegenstände.
Außerdem haben sich die Assistenzsysteme, das Navi und die Eindeutschung der Menüpunkte gegenüber dem Dolphin nicht wesentlich verbessert. Die Übersetzungsversuche ("Medienvolumen" statt Lautstärke, "Intensität der Energierückmeldung" für die Rekuperationsstärke, "Sitzbegrüßung" etc.) sind eher amüsant als zielführend. Der Spurhalteassistent greift sehr ruppig ein. Und das Navi erstellt für längere Strecken keine Ladestrategie mit empfohlenen Ladesäulen, sondern bietet nur eine ellenlange Liste von Ladestationen in der Nähe der Route an. Zudem zeigt das Instrumentendisplay keine Abbiegehinweise.
Fazit
Der BYD Seal hat mich mit seinem ungestümen, aber nie gefährlichen 390-kW-Antrieb begeistert. Toll finde ich auch das riesige Glasdach, die Optik außen und innen. Auf der Negativseite stehen die unpraktische kleine Kofferraumklappe und die Probleme bei Bedienung und Assistenzsystemen.
Abschließend beurteilen können wir das Auto erst, wenn die Preise bekannt sind. Die sollen am kommenden Montag (4. September) auf der IAA verkündet werden. Dann werden wir diesen Test aktualisieren – und den Neuling mit Rivalen wie dem Tesla Model 3, dem Nio ET5, dem Hyundai Ioniq 6 oder dem VW ID.7 vergleichen. Der Bestellstart dürfte ebenfalls am Montag oder kurz darauf erfolgen; wer den Seal dann ordert, bekommt ihn ab November.
BYD Seal Excellence-AWD