Ein bedenkliches Übergewicht von Elektro-SUVs konstatiert das Center of Automotive Management (CAM) in seiner neuen Analyse zum deutschen Elektroauto-Markt. Die Studie bezieht sich auf die ersten neuen Monate des laufenden Jahres. Danach werden derzeit 73 Modelle angeboten, darunter nicht weniger als 28 Elektro-SUVs. Im Kleinstwagen-, Kleinwagen- und Kompaktwagen-Segment zusammen gibt es dagegen nur 21 Modelle.
Elektro-SUVs sind im Schnitt stärker motorisiert, haben einen höheren Stromverbrauch, kosten mehr und benötigen größere Batterien, so das CAM. Das habe ökologische und gesellschaftliche Auswirkungen.
Die SUVs machen derzeit 44 Prozent der Elektroauto-Neuzulassungen aus, die Kleinstwagen, Kleinwagen und Kompaktwagen kamen zusammen nur auf 42 Prozent. Bei leichten Nutzfahrzeugen gibt es zwar ein breites Modellangebot (12 von 73 Modellen), aber sie machen weniger als ein Prozent der BEV-Neuzulassungen aus.
In den ersten neun Monaten des Jahres wurden laut Kraftfahrtbundesamt 272.473 Elektroautos neu zugelassen. Damit legte der Elektroauto-Markt gegenüber dem Vorjahreszeitraum um 15 Prozent zu – während der Gesamtmarkt um 7,4 Prozent schrumpfte.
Größter Profiteur dieser Entwicklung ist Tesla, wie die Tabelle unten zeigt. Die US-Marke kam mit nur zwei Modellen (dem Model 3 und dem Model Y) auf über 38.000 Neuzulassungen und zieht damit am angestammten Volumen-Marktführer VW vorbei, der nur etwa 32.000 Neuzulassungen vorweisen kann.
Zu den Gründen der Tesla-Überlegenheit dürften die hohen Reichweiten und niedrigen Stromverbräuche zählen, so das CAM. Die jeweiligen Topmodelle bieten – gewichtet an den Neuzulassungen – eine WLTP-Reichweite von 528 km, während der Stromverbrauch der Einstiegsmodelle nur 15,2 kWh/100 km beträgt. Audi, BMW und Mercedes haben zwar eine breitere Modellpalette, können aber nicht so gute Daten bieten und sind dennoch zum Teil erheblich teurer, so das CAM.
Die Marke VW führt das Ranking im Volumensegment an. Die Marke profitiere insbesondere von einer breiten Modellpalette, so das CAM. Mit dem immer noch produzierten (wenn auch nicht mehr bestellbaren) Elektro-Up, dem ID.3 sowie ID.4 und ID.5 besetzt VW die größten Segmente und liegt bei den erhobenen Daten überwiegend im oberen Mittelfeld.
Hyundai behauptet sich mit Ioniq, Kona und Ioniq 5 auf Platz zwei, wird jedoch von Fiat mit dem sehr erfolgreichen Fiat 500 Elektro unter Druck gesetzt. Die Einstiegsversion des Elektro-Kleinstwagens hat einen Verbrauch von nur 13 kWh/100 km und ist damit die Nummer eins in unserem Verbrauchsranking. Während Renault mit Twingo, Zoe und Megane immerhin in den Top 5 bleibt, haben Ford oder Toyota noch immer kein wettbewerbsfähiges Modellangebot, urteilt die Studie.
Zu den wichtigsten Kaufkriterien bei Elektroautos gehört die Reichweite. Weil gute Reichweiten üblicherweise in teureren Fahrzeugen vorzufinden sind, analysierte das CAM die Daten der Topvarianten. Der Durchschnitt der 73 betrachteten Modelle lag bei 412 km. Dabei steigt die Reichweite mit der Fahrzeuggröße; die Höchstwerte werden in der Oberklasse mit über 600 km erreicht.
Bei Kleinst- und Kleinwagen schnitten Smart Fortwo und Forfour mit etwas über 100 km besonders schlecht ab, der Fiat 500 und der DS3 (den das CAM als Kleinwagen einstuft) erreichten dagegen 300 bis 400 km. Was die Marken angeht, so liegen die Modelle von VW-Konzern, Stellantis, Tesla und Mercedes überwiegend auf den vorderen Rängen.
Neben der Reichweite ist der Stromverbrauch wichtig. Da Einstiegsmodelle typischerweise den geringsten Stromverbrauch haben, untersuchte CAM diese. Der Durchschnitt über alle 73 Modelle lag bei rund 16,1 kWh/100 km.
Während Kleinst-, Klein- und Kompaktwagen mit einem gewichteten Stromverbrauch von 15,2 kWh unterhalb des Durchschnitts liegen, benötigen SUVs rund 16,7 kWh und leichte Nutzfahrzeuge sogar 21,9 kWh. Generell steigt der Stromverbrauch mit der Fahrzeuggröße, wobei die SUV-Modelle Jaguar i-Pace, Mercedes EQC und Audi e-tron laut CAM besonders hohe Verbräuche aufweisen. Aber auch die beiden Smart-Modelle haben einen stark überdurchschnittlichen Verbrauch.
Insgesamt ist Studienleiter Stefan Bratzel noch nicht zufrieden mit dem Elektroauto-Angebot:
"Die Elektromodelle sind im Schnitt noch zu teuer, in niedrigeren Fahrzeugsegmenten noch zu selten und haben noch einen zu hohen Stromverbrauch."
Kritisch sei die Tendenz zu "SUV-isierung der Elektromobilität". Im Interesse der Umwelt müsste der Anteil von kleineren, effizienten Elektroautos mit moderaten Batteriegrößen bei gleichzeitig hoher Ladeleistung steigen, so Bratzel.
Quelle: CAM (per E-Mail)