Wenn man an den "klassischen Mini" denkt, kommen einem Bilder von englischen Dörfern, Kopfsteinpflasterstraßen und Nachmittagstee in den Sinn. Oh, und der legandäre Film "The Italian Job". Der Mini machte seinem Namen und seinem Zweck alle Ehre (er entstand aus der Treibstoffknappheit während der Suez-Krise 1956) und war tatsächlich klein und sparsam, aber auch ein Verkaufsschlager. 

Der von 1959 bis 2000 produzierte Kleinwagen, bei dem nur der Name variierte (z. B. Austin, Morris, Cooper), erwies sich dank Frontantrieb und genialer Raumausnutzung als großer Wurf. In den ersten zehn Jahren wurden zwei Millionen Exemplare verkauft. Am Ende seiner Laufzeit waren es fast 5,5 Millionen, die weltweit verkauft wurden. 

Aber ein klassischer Mini fährt sich wie ein unbeholfener Mr. Bean. Am Anfang ist er schrullig und lustig, dann wird er lästig. Mit einer Federung, die an einen Pogo-Stick erinnert, und einer Ausstattung, die kaum besser ist als eine Gefängniszelle, ist der Vor-BMW-Mini kein Fahrzeug, das man wegen seines Komforts mag.

Zu wenig Leistung für die Autobahn, zu wenig Platz für den Einkauf, und doch hat er einen gewissen Charme. Nostalgie ist ja schön und gut, aber wie bleibt etwas über seine besten Zeiten hinaus relevant? Tausch des Motors! Aber wir schreiben das Jahr 2022 und wir reden hier nicht von einem V8. Nein, wir fahren elektrisch. 

Bildergalerie: Mini Recharge Heritage

Und das ist auch kein einmaliges Konzeptfahrzeug. Das hat der Autohersteller bereits 2018 vorgestellt, als er auf der New York Auto Show einen elektrifizierten klassischen Mini enthüllte. Der Mini Recharged Heritage soll dem Oldtimer neues Leben einhauchen. Der Name ist ein wenig klobig, aber die Umwandlung eines klassischen Verbrennungsmodells in ein Elektroauto ist ein ziemlich fließender Übergang. 

Das ist keine Liebesgeschichte

Mini bot mir die Schlüssel zu einem Prototyp an, dessen Spenderfahrzeug ein Mini von 1985 war. Das Fahrzeug war mit einer kompletten Karosserieverkleidung versehen, die Ladeeinheit befand sich im Kofferraum und ein AEM-Leistungsmonitor war am Armaturenbrett angebracht. Das war so roh, wie ein Testfahrzeug nur sein kann, aber es vermittelte einen legitimen Eindruck davon, wie das Endprodukt aussehen würde. 

Mini Recharge Heritage - Photographer: Daniel Kraus

Dennoch wurde viel Wert darauf gelegt, das Erbe und die Essenz des Klassikers zu erhalten. Jede Modifikation ist umkehrbar. Ein Beispiel: Der Originalmotor bleibt erhalten und wird für den Fall einer späteren Nachrüstung aufbewahrt. Und obwohl moderne Elemente erforderlich sind, wie etwa der Austausch des Kombiinstruments gegen ein Instrument, das den Ladezustand der Batterie und die Reichweite des Fahrzeugs anzeigt, bleibt das Cockpit klassisch.

Nichts in oder um das Fahrzeug herum wirkt fehl am Platz. Sogar der Schalthebel hat die alte Anmutung eines manuellen Getriebes (obwohl alle EV-Umrüstungen nur bei einem Automatikgetriebe angewendet werden können).

Wenn die Besitzer ihren Recharged Heritage in Empfang nehmen, wird sich ihr Auto anders, aber auch gleich anfühlen. Hinter dem Lenkrad fühlte sich der auf Elektroantrieb umgerüstete Mini wie ein alter Mini an. Was keine Beleidigung ist. Der Charakter des Klassikers bleibt solide erhalten. Das Fahrzeug ist wendig, aber, ja, mit der bewährten sensiblen Federung. Verdammt seist du, Kopfsteinpflaster!

Mini Recharge Heritage - Photographer: Daniel Kraus

Aber selbst dann klappert und knarrt das neue alte Auto nicht. Ein Motorgeräusch könnte die Karosseriegeräusche übertönen, aber unser Testwagen hat sich so gut gehalten, dass es keine gab. Dafür ist die Fahrt angenehm leise.  

Leistung und Performance haben sich im Vergleich zum klassischen Vierzylinder zweifellos verbessert, und man profitiert von dem neu gewonnenen, sofortigen Drehmoment. Das Fahrzeuggewicht variiert je nach Option, aber unabhängig davon, welcher klassische Mini als Spenderfahrzeug verwendet wird, behält das EV-Kit die ursprünglichen Abmessungen und Kapazitäten des Fahrzeugs bei.

Ein Mini aus dem Jahr 1985, der dem Prototyp ähnelt, hat zum Beispiel ein Trockengewicht von rund 600 Kilogramm. Mit einem Fahrer beträgt die Gewichtsverteilung 63:37. Bei voller Beladung verschiebt sich das Verhältnis auf 53:47. Ich hatte während meiner Fahrt einen Beifahrer dabei, und das Fahrzeug fühlte sich gut geerdet an. Trotz des unveränderten Gesamtgewichts könnte die Platzierung des Akkupakets im Heck der Schlüssel zu dieser Ausgewogenheit gewesen sein, um die Insassen vorne zu entlasten.

Mini Recharge Heritage - Photographer: Daniel Kraus

Kleines Auto, kleine Batterie

Der Mini Recharged Heritage ist in drei Ausstattungsvarianten erhältlich: Pure, Sport und Bespoke. Bei allen wird der Benzinmotor durch einen elektrischen Antriebsstrang ersetzt, der aus einem 72-Kilowatt-Elektromotor und einem 19,0-Kilowattstunden-Batteriepaket besteht. Die Reichweite des Fahrzeugs beträgt nach WLTP-Schätzungen etwa 103 Meilen (166 km), was nach EPA-Standards eine geringere Reichweite bedeuten würde.

Erwarten Sie auch keine Gleichstrom-Schnellladefunktion - die Batterie ist so winzig, dass eine Ladeleistung von 6,6 kW ausreicht. Mit einem Level-2-Ladegerät benötigt der Mini Recharged Heritage drei Stunden für eine vollständige Aufladung oder neun Stunden, wenn er an eine Haushaltssteckdose angeschlossen wird. 

Der Pure Mini verfügt über eine Leistung von 75 PS und ein Drehmoment von 125 Nm. Seine Höchstgeschwindigkeit liegt bei 145 km/h und die Beschleunigung von null auf 100 km/h dauert gut 11,5 Sekunden. Okay, nicht überragend schnell, aber das war das Original auch nicht. 

Aber bei einem Fahrzeug, das nur halb so viel wiegt wie eine moderne Limousine, fühlt sich der Mini EV schnell an. Wenn Sie sich für die Sport-Version entscheiden, stehen Ihnen 97 PS und 150 Nm Drehmoment zur Verfügung. Die Beschleunigung wurde ebenfalls verbessert, so dass der Mini EV in nur 8,5 Sekunden auf 100 km/h beschleunigt, bzw. in 7,8 Sekunden im neuen Sport-Modus. Die Ausstattungsvariante bietet außerdem ein verbessertes Bremssystem, ein Sportfahrwerk und Yokohama-Reifen.

Mini Recharge Heritage - Photographer: Daniel Kraus

Mit dem Bespoke Mini, der auf dem Sport-Modell aufbaut, können Sie 100 PS und 175 NmDrehmoment erreichen. Die Höchstgeschwindigkeit hängt von den Fahrzeugoptionen ab, aber ein 0-100-Rennen unter sechs Sekunden scheint möglich.

Auch ohne den optionalen Sportmodus flitzte mein Testwagen durch die Straßen der englischen Kleinstadt, ohne sich untermotorisiert zu fühlen. Der zusätzliche Sport-Schub wäre für das Erreichen von Autobahngeschwindigkeiten definitiv von Vorteil, aber in bestimmten Situationen könnte es vielleicht zu viel Schnelligkeit für zu wenig Gewicht sein. Das sofort anliegende Drehmoment kann einen immer noch überrumpeln. Aber ich kann mich wirklich nicht erinnern, wann ich jemals so viel Spaß beim Fahren eines Autos hatte, das so alt, originell und gleichzeitig unfertig war.

Mini Recharge Heritage - Photographer: Daniel Kraus

Die Zeiten ändern sich

Der Mini Recharged Heritage wurde in Zusammenarbeit zwischen dem Mini-Werk Oxford, dem renommierten Mini-Teilelieferanten und -Restaurator Mini Sport und dem Hersteller von EV-Komponenten Zero EV entwickelt. Der offizielle Name des Erbauers lautet Recharged Heritage Limited.

Derzeit gibt es nur zwei Serienfahrzeuge, die jeweils im Rahmen einer Designübung gebaut wurden. Der Modedesigner Paul Smith rüstete ein gleichnamiges Sondermodell von 1998 um, während die Künstlerin Lakwena Maciver ein Fahrzeug von 1986 überarbeitete

Der Umbau des Mini EV ist zwar nicht ganz billig, aber das ist nun mal der Preis für Anpassungen, nicht wahr? Die Kunden haben die Möglichkeit, ihr eigenes Fahrzeug mitzubringen oder das Team zu beauftragen, eines für sie zu suchen und zu kaufen. Die Bring-your-own-Mini-Variante beginnt bei 42.600 Pfund, umgerechnet knapp über 48.000 Euro. Und das ist nur für die Umrüstung des Elektroautos selbst. Die Umrüstung ist jedoch schnell erledigt und dauert etwa zwei Tage. 

Wenn Sie zusätzliche Optionen wie moderne Steuerschalter, magnetische Smartphone-Ladestationen oder von Paul Smith entworfene Verzierungen wünschen, sind zusätzliche Bauzeit und Kosten erforderlich.

Sie haben keinen klassischen Mini, möchten aber einen haben und obendrein eine EV-Version? Der Startpreis für die Beschaffung des Fahrzeugs und den Bau beträgt bis zu 60.000 Pfund, rund 68.000 Euro.

Die Auftragsbücher für den Mini Recharged Heritage wurden im September geöffnet, und die ersten Auslieferungen werden irgendwann im Jahr 2023 erwartet. Im Moment können nur Käufer aus Großbritannien vorbestellen, aber das Mini Recharged Team bemüht sich aktiv um die Ausweitung des Verkaufs auf andere Märkte, insbesondere Nordamerika.