Elektro-SUVs gibt es in rauhen Mengen und inzwischen nimmt auch das Angebot bei den Kompaktwagen immer weiter zu: Nach dem VW ID.3 starteten der MG4 Electric, der Renault Megane Electric, der Ora Funky Cat, der Opel Astra Electric, der Peugeot E-308 und der Volvo EX30. Und nun kommt mit dem BYD Dolphin ein weiterer Kandidat hinzu.

Kurz vor unserer ersten Begegnung haben wir den BYD Dolphin von seiner Papierform her mit der Konkurrenz verglichen. Ergebnis: Das Auto kann mit den Rivalen mithalten, ohne irgendwo Bestmarken zu setzen. Nur beim Preis liegt das Modell vorne. Hier ist der Wagen zehn Prozent günstiger als die preiswertesten Konkurrenten. Doch die Papierform ist natürlich immer nur die halbe Wahrheit. So haben wir das Auto nun in der Gegend rund um Madrid getestet.

Antrieb: Softwareprobleme sorgen für zu wenig Leistung

Und hier gab es tatsächlich eine faustdicke Überraschung: Das Auto sollte mit 150 kW so stark sein wie der VW ID.3, doch das Ding kam nicht so recht aus dem Quark. Er schien mir sogar schwächer als der kürzlich gefahrene Opel Astra Electric mit 115 kW.

Bildergalerie: BYD Dolphin (2023) im Test

Und mehr noch: Das Auto zeigte das sogar an. Im Instrumentendisplay wird die aktuell genutzte Leistung vermeldet, und die zeigte bei mehreren Beschleunigungsversuchen nie mehr als 97 kW. Irgendwas stimmte nicht.

Beim Abendessen kam des Rätsels Lösung: Die 13 Testautos hatten die falsche Software aufgespielt bekommen – ein Super-Gau für die Presseabteilung. Waren die etwa 30 Journalisten etwa alle umsonst angereist? 

Doch am nächsten Morgen war die Lage wieder eine andere: Die Techniker hatten sich die Nacht um die Ohren geschlagen und die richtige Software aufgespielt. Wir konnten mit den aktualisierten Autos zumindest noch die restlichen 20 Minuten bis zum Flughafen fahren und drückten natürlich kräftig auf die Tube. Und in der Tat, nun zog der Wagen gut, die Anzeige schnellte bei meinem Wagen sogar bis auf 163 kW hoch.

Hilfe bei der Ladeplanung? Keine nutzbare.

Und sonst? Nun, nach meiner Testfahrt (mit maximal 100 km/h, wegen der Tempolimits) zeigte das Display einen Verbrauch von 15,7 kWh/100 km an. Die Verbrauchsdaten auf unseren in der Regel nur kurzen Fahrten sind aber unserer Ansicht nach nicht viel wert.

Eher aussagekräftig sind die Erfahrungen mit der Software – auch wenn die Erkenntnisse wegen möglicher Over-the-air-Updates immer nur Momentaufnahmen sind. Wie immer gaben wir das heimatliche München als Navigationsziel ein und ließen uns bei der Ladeplanung helfen. Eine komplette Ladestrategie bot der BYD nicht, aber er spuckte eine Liste mit Ladestationen auf der Route aus.

BYD Dolphin (2023): Das Navi spuckt eine Liste mit Ladestationen entlang der Route aus, aber keine nutzbare

Die aber war wenig wert: Erstens war sie völlig ungeordnet. Die Distanzen wuchsen bis 19 km an, dann ging es wieder mit kleineren Distanzen weiter und keine der Stationen war weiter als 69 km entfernt. Der befragte Techniker machte Fotos davon, um sie den Entwicklern zu schicken.

Der Abstandstempomat arbeitete recht vernünftig, doch der Spurhalteassistent griff allzu ruppig ein. Erst als wir die (in aller Regel sehr mangelhaft übersetzten) Menüeinstellungen optimiert hatten, wirkte das System nicht mehr so grob. Insgesamt funktionieren diese beiden Systeme besser als die des MG4 Electric bei meiner Testfahrt im letzten Herbst.

Die Rekuperationsstärke lässt sich beim BYD Dolphin nur zweistufig und nur über ein schwer zu findendes Untermenü einstellen. Auch hier erfordern die seltsamen Bezeichnungen (irgendwas mit "Energy Feedback") Phantasie bei der Interpretation. Was sich nicht wirklich lohnte, denn die Unterschiede zwischen den beiden Modi waren gering, One-Pedal-Driving ist nicht möglich.

Pluspunkte gibt es aber auch einige

Damit wären die negativen Punkte aber im Wesentlichen abgearbeitet, ab hier wird das Bild heller. So sieht der BYD Dolphin unserer Ansicht annehmbar aus, vor allem das Heck und die Seitenansicht sind gelungen. Auch die Innenoptik stimmt, die Materialien sind gut (so zum Beispiel das Neopren-artige Material am Armaturenbrett), die Gestaltung (wie die Drehwalze zum Einstellen der Fahrmodi P, N, R und D) ist lobenswert.

BYD Dolphin (2023): Cockpit mit 12,8-Zoll-Touchscreen im Querformat

Besonderes Lob verdienen die Sitze: Während die meisten Autositze mein eher schmales Kreuz nicht richtig festhalten, sind die des Dolphin wie für mich gemacht: Sie halten mich sehr gut fest, ohne unbequem zu sein. Ein besonderes Gimmick des Dolphin ist der drehbare Touchscreen: Mit dem per Knopfdruck am Lenkrad ausgelösten Kunststück kann man wohl auch die gleichgültigste Beifahrerin, den gleichgültigsten Beifahrer verblüffen.

Im Fond habe ich als 1,76 Meter langer Mensch genug Platz vor den Knien und über dem Kopf. Der Kofferraum wirkt aber deutlich kleiner als etwa beim Elektro-Astra. Dafür gibt es hier unter dem Ladeboden noch ein geräumiges Fach (das beim Opel schon teilweise von Batteriemodulen belegt wird).

Fazit

Unser Vergleich der Papierform ergab recht akzeptable (wenn auch nicht spitzenmäßige) Werte bei den meisten Kategorien und einen wirklich günstigen Preis. Der Test zeigt nun ähnlich wie beim MG4 Electric ein ordentliches Fahrverhalten, eine gute Hardware, aber auch etliche Software-Schwächen – so bei der Navigations-Software, bei der Übersetzung der Menüpunkte und bei den Assistenzsystemen. Doch das sind Dinge, die sich per Over-the -Air-Update beheben lassen.

So verstärkt sich der Eindruck, dass manche chinesische Newcomer dem Bananenprinzip huldigen: Das Produkt reift beim Kunden. Bei den Südfrüchten ist das nur eine Frage der Zeit, bei den Autos sorgen OTA-Updates für den Feinschliff. Wer sich darauf einlassen mag, für den ist der Dolphin keine schlechte Wahl. Kaufen kann man das Auto bei derzeit acht Händlern in Deutschland; weitere sollen hinzukommen.

BYD Dolphin Comfort

Motor Permanentmagnet-Synchronmotor vorne
Leistung 150 kW
Max. Drehmoment 270 Nm
Beschleunigung 0-100 km/h 7,0 Sek.
Höchstgeschwindigkeit 160 km/h
Verbrauch k.A.
Batterie 60 kWh netto (prismatische Zellen von BYD, CTP, LFP-Chemie)
Elektrische Reichweite 427 km (WLTP)
Ladeanschluss CCS2 mit bis zu 11 kW AC, 88 KW DC
Aufladezeit 29 min (30-80%) mit DC
Länge 4.290 mm
Breite 1.770 mm (mit Spiegeln)
Höhe 1.570 mm
Kofferraumvolumen 345-1.310 Liter
Leergewicht k.A.
Basispreis 35.990 Euro
Marktstart Bestellstart im Juni 2023, beim Händler im 4. Quartal 2023