Mit dem Ora Funky Cat startet das erste Modell des chinesischen Great-Wall-Konzerns in Deutschland. Ursprünglich sollte das Auto schon 2022 auf den Markt kommen, aber der Termin wurde verschoben. Wann genau der Wagen in Deutschland startet, wissen wir nicht, doch lange wird es nicht mehr dauern.
Autocar hat das Elektroauto jedenfalls bereits ausführlich getestet; wir fanden den Test ziemlich lang, aber so aussagekräftig, dass wir im Folgenden die wichtigsten Erkenntnisse der britischen Kollegen zusammenfassen.
Zum Start eine First Edition
Mit 4,24 Meter Länge ist der Ora Funky Cat ein Kompaktwagen von der Größe eines VW ID.3 oder MG4 Electric. Als technische Basis dient eine Plattform namens Lemon, die auch Verbrenner, Hybride und sogar Brennstoffzellen-Antriebe unterstützt – es handelt sich also nicht um eine reine Elektro-Plattform.
Zum Start gibt es in Großbritannien nur eine First Edition mit 45-kWh-Batterie (Nettokapazität) und 124-kW-Frontantrieb. Später soll eine Version mit 61-kWh-Batterie hinzukommen, die es auch in einer sportlichen GT-Ausstattung geben wird. Die britische First Edition ist gut ausgestattet, es fehlen allerdings Sitzheizung, Parkpiepser vorne, Matrix-LED-Scheinwerfer und ein Panoramadach. Die gleichen drei Versionen finden sich auch auf der deutschen Ora-Website.
Bildergalerie: Sitzprobe Ora Funky Cat (2023)
Design und Innenraum
Das Design des Ora-Erstlings ist eindeutig von Retro-Autos inspiriert. Damit wirkt der Kompaktwagen eher freundlich als dynamisch – und durchaus eigenständig. Die Materialien im Cockpit sind hochwertig; viele Oberflächen fühlen sich weich an, so auch das Kunstleder auf den Sitzen. Die Bedienung ist weniger erfreulich. So ist das Drehrad zum Aktivieren des Getriebemodus (P, N, R oder D) extrem leichtgängig und der Blinkerhebel rastet nicht richtig ein. Wie bei älteren BMWs kehrt er immer wieder in die Ausgangsstellung zurück.
Die Chrom-Kipphebel in der Mitte sind vom Mini inspiriert, fühlen sich aber nicht so hochwertig an. Mit ihnen werden diverse Klimafunktionen gesteuert, aber seltsamerweise nicht die Temperatur. Der 10,25-Zoll-Touchscreen hat eine etwas chaotische Benutzeroberfläche und die Bildschirmtasten sind winzig – insbesondere die für die Tastatur zur Zieleingabe. Das Navi selbst funktioniert aber gut. Apple CarPlay und Android Auto werden zum Verkaufsstart noch nicht unterstützt, die Funktion soll jedoch per Over-the-Air-Update bis zum Sommer nachgerüstet werden.
Die Beinfreiheit im Fond ist groß, die Sitzposition ist allerdings wegen der Batterie im Boden nicht optimal. Aus dem gleichen Grund ist die Kopffreiheit begrenzt. Und der Kofferraum ist nicht viel größer als beim Mini Cooper SE.
Antrieb und Fahrwerk
Der Frontantrieb beschleunigt den Funky Cat sogar ein Zehntel schneller auf Tempo 100 als vom Hersteller angegeben. Allerdings drehen die Räder auf leicht feuchter Strecke einen kurzen Moment lang wie wild durch, bevor die Traktionskontrolle mit einem hörbaren Schlag eingreift.
Auch das ABS ist schlecht abgestimmt; so blockierten kurzzeitig die Bremsen, wenn man bei 120 km/h bremst. Nach einigen aufeinanderfolgenden Bremsversuchen roch es stark nach Bremse, auch wenn sich die Verzögerung nicht verschlechterte. Und wenn die Batterie nur noch zu einem Viertel voll ist, lässt die Leistung so stark nach, wie es Autocar noch bei keinem E-Auto erlebt hat.
Die Rekuperation lässt sich mehrstufig einstellen: Neben echtem One-Pedal-Driving gibt es drei Modi. Dabei baut sich die Bremswirkung aber nur langsam auf, was das Auslaufen schlecht vorhersehbar macht. Außerdem wird der Rekuperationsmodus nach einem Neustart gelegentlich (nicht immer) auf maximale Bremswirkung zurückgesetzt.
Der Ora Funky Cat sorgt für deutlich weniger Fahrspaß als ein Mini Cooper SE, ein Fiat 500 Elektro oder ein Cupra Born. Denn der Wagen neigt sich in der Kurve stark zur Seite und die selbst im Sportmodus zu leichtgängige Lenkung bietet keine Rückmeldung. Auch die öfter einsetzende Traktionskontrolle und das ESP halten einen vom sportlichen Fahren ab.
Das Fahrwerk ist weder zu weich noch zu hart und wirkt nie schwammig – hier haben die Tester nichts zu meckern. Das Geräuschniveau ist jedoch ungenügend. Sogar in einem reinen Stadtauto wie dem Fiat 500 ist es nach den Messungen von Autocar leiser.
Assistenzsysteme
Die EuroNCAP-Tester haben den Funky Cat gelobt für die hervorragende Crashsicherheit und die zahlreichen serienmäßigen Assistenzsysteme. Der Spurhalteassistent lenkt laut Autocar-Test aber unnötig oft hin und her und zum Deaktivieren muss man sich erst durch die Bildschirmmenüs hangeln. Auch ist die Fahrerüberwachung sehr streng und warnt, wenn man auch nur kurz zum Fenster hinaussieht. Außerdem regelt der Abstandtempomat nicht verlässlich – im Stop-and-go-Verkehr ist er öfter zu spät dran und auf der Autobahn drosselt er selbst bei kleinsten Kurven das Tempo.
Stromverbrauch, reale Reichweite und Ladetest
Die Anzeige des Stromverbrauchs konnte nicht genullt werden. Doch die beobachteten Momentanverbräuche von 18,3 bis 20,7 kWh/100 km sind spürbar niedriger, als beim Cupra Born und Kia Niro EV oder dem Fiat 500 Elektro gemessen. Die reale Reichweite gibt Autocar mit etwa 240 km an.
Was das Schnellladen angeht, so kam der Funky Cat mit 50 kW Ladeleistung nahe an den angegebenen Wert von 64 kW heran und hielt diesen für den größten Teil des Ladetests. Ein e-208 oder MG 4 Electric lässt sich allerdings mit 100 kW oder mehr laden, so der Bericht.
Preise und Konkurrenzvergleich
In Großbritannien kostet der Wagen knapp 32.000 Pfund; umgerechnet sind das rund 36.000 Euro. In Deutschland soll es den Wagen ab jedoch erst 38.990 Euro geben. Damit ist das Auto zwar noch günstiger als ein VW ID.3 (ab etwa 44.000 Euro) oder Kia Niro EV (knapp 48.000 Euro), aber er ist teurer als der kleinere Opel Corsa-e (ab etwa 36.000 Euro), der gleich große MG4 Electric (ab etwa 32.000 Euro) und der Fiat 500 Elektro (ab rund 31.000 Euro). Die Preisgestaltung von Ora ist also durchaus mutig.
Dennoch gehört der Funky Cat noch zu den günstigeren Elektroautos. Er bietet jedoch mit 310 km deutlich weniger Reichweite als ein Opel Corsa-e (bis 353 km), Peugeot e-208 (bis 398 km) oder Renault Zoe (bis 395 km). Außerdem fühlen sich diese Modelle reifer an, befinden die Tester.
Fazit der Autocar-Tester
Ein halbes Jahr mehr Entwicklungszeit hätte die diversen Detailprobleme des Ora Funky Cat beheben können, so die britischen Kollegen. Dazu gehören das Problem mit dem Blinkerhebel und das zufällige Zurücksetzen von verschiedenen Einstellungen. So öffnet der schlüssellose Zugang das Auto nicht immer, die Handbremse löst sich manchmal nicht, die Servolenkung und die Servounterstützung der Bremsen arbeiten sehr laut. Auch ABS, Traktionskontrolle und der Abstandstempomat sind schlecht abgestimmt. Alles in allem fühlt sich Autocar "zu sehr an einen öffentlichen Beta-Test" erinnert.
Alles in allem ist der Ora Funky Cat jedoch in vieler Hinsicht konkurrenzfähig, so das Urteil der Zeitschrift. Das sympathische Design, das edle Interieur und der recht günstige Preis seien Pluspunkte. Als Stadtauto ist der Wagen eine Alternative zum Fiat 500 Elektro oder zum Elektro-Mini, zumal er etwas mehr Platz bietet.
Im Vergleich zum Opel Corsa-e hapert es allerdings bei Reichweite, Ladeleistung, Langstreckenkomfort, Bedienung, Multimedia und den Assistenzsystemen. Diverse fehlende Funktionen und Softwareprobleme lassen das Auto unfertig erscheinen, so der Bericht.
In knapp zwei Wochen werden wir den Wagen selbst bei einer Veranstaltung testen. Wir sind gespannt, ob wir die Eindrücke der Kollegen bestätigen können und ob vielleicht einige Probleme dann schon behoben sind.
Technische Daten des Ora Funky Cat First Edition
- Antrieb: Frontantrieb mit Permanentmagnet-Synchronmotor
- Systemleistung / Drehmoment: 124 kW / 249 Nm
- 0-100 km/h / Höchstgeschwindigkeit: ca. 8,3 Sek. / 160 km/h
- WLTP-Stromverbrauch: 16,7 kWh/100 km
- Akku / WLTP-Reichweite: 45 kWh netto, 48 kWh brutto / 310 km
- Aufladen: AC k.A., 64 kW mit DC
- Ladedauer: k.A.
- Maße: 4.235 mm Länge / 1.825 mm Breite / 1.603 mm Höhe / 2.650 mm Radstand
- Kofferraum: 228-858 Liter
Quelle: Autocar