Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben. Dieser Satz wird Michail Gorbatschow zugeschrieben. Ob er exakt so fiel, sei dahingestellt, richtig ist er durchaus. Etwa mit Blick auf den neuen Renault Twingo Electric. Im Herbst 2020 vorgestellt, fragt man sich nach seiner Existenzberechtigung. Schließlich gibt es den konventionellen Twingo seit 2014 und den eng verwandten Smart Forfour EQ seit 2017.

Hinzu kommen intern der erfolgreiche Renault Zoe plus der Dacia Spring als günstiger Newcomer. Braucht die Welt also einen elektrischen Twingo? Zeit für erste Fahreindrücke! Optisch unterscheidet sich die Strom-Variante jedenfalls nur in Details vom Verbrenner. Erst das Ohr erlauscht Unterschiede, denn in diesem Twingo knattert kein Dreizylinder im Heck. 

Bildergalerie: Renault Twingo Electric (2021) im Test

Stattdessen gibt es einen Drehstrom-Synchron-Elektromotor. Er ist 60 kW (82 PS) stark, wird bei Renault gebaut und steckt auch im Smart Forfour EQ. Letzterer wird wie der Twingo Electric im slowenischen Novo Mesto gebaut. Im Gegensatz zum Smart spendiert Renault dem Lithium-Ionen-Akku (165 Kilogramm Gewicht) aber etwas mehr Kapazität: 21,4 kWh sollen für rund 190 Kilometer reichen, im Stadtverkehr sogar für bis zu 270 Kilometer.

Einen CCS-Ladeanschluss gibt es aber weder für Geld noch für gute Worte, anders als im Dacia Spring (600 Euro) und beim Renault Zoe (1.100 Euro in der Basis). Typ-2-Laden ist also angesagt, auf eine Stunde beziffert der Hersteller die Zeit von 0 auf 80 Prozent. Wer es drauf ankommen lassen will, kann übrigens auch 15 Stunden an der Schuko-Dose daheim laden.

Natürlich lädt man kaum komplett von 0 Prozent und selbst eine Stunde sind nicht die Welt. Aber ein CCS-Stecker wäre schon nett, auch um nicht ständig im öffentlichen Raum mit dem 6,5 Meter langen Ladekabel hantieren zu müssen.

Renault Twingo Electric (2021) im Test

Ansonsten kommt einem vieles vom herkömmlichen Twingo bekannt vor: Die hohe Sitzposition, das viele Hartplastik im Innenraum, der 219 Liter große Kofferraum, das mäßige Platzangebot im Fond. Hinzu kommt ein sehr konventionelles Cockpit, hier hat Renault mit Blick auf das Alter des Twingo keine großen Neuinvestitionen getätigt. Um es positiv auszudrücken: Twingo-Fahrer müssen sich hier nicht umgewöhnen.

In der von uns getesteten Variante "Intens" werten Kunstleder und (sehr dünnes) Leder am Lenkrad das rustikale Ambiente auf. Ein Tipp meinerseits: Wählen Sie aus dem Zubehör die Mittelarmlehne vorne für 152 Euro zuzüglich Montage.

Jetzt aber los! In klar spürbaren Stufen gleitet der Automatik-Wählhebel von P nach D und per leichtem Druck nach links in die B-Fahrstufen für die Rekuperation. Maximal ist hier Stufe 3 möglich, die schon dem One-Pedal-Driving nahe kommt. 

Renault Twingo Electric (2021) im Test

Schnell merkt man: In der Stadt und ihrer Peripherie spielt der Twingo Electric seine Stärken aus. Schmal, unglaublich wendig, leise und als Elektroversion aus dem Stand flott. Manch einem Fahrer größerer Autos kann man so an der Ampel die Rücklichter zeigen. 4,2 Sekunden nennt Renault für den Spurt von 0 auf 50 km/h.

Das bleibt auch im Eco-Modus so, der den Twingo aber bei 105 km/h abregelt. Das ist für kurze Ausflüge auf die Autobahn okay, zumal der Verbrauch dann sehr im Rahmen bleibt. Ansonsten schafft der Winzling im Normalmodus maximal 135 km/h, was aber deutlicher am Akkuinhalt saugt. Zudem stören dann deutliche Windgeräusche.

Da wir gerade beim Thema sind: Natürlich begrenzt die kleine Batterie den Aktionsradius des Twingo recht deutlich auf die Stadt. Als Bestwert mit vollem Akku ermittelten wir bei 28 Grad Außentemperatur 207 Kilometer im Eco-Modus und 188 Kilometer "normal". Je nach Wetterbedingungen können aber auch 20 bis 25 Kilometer davon abgezogen werden.

Renault Twingo Electric (2021) im Test

Positiv ist der Verbrauch: In der Stadt reicht der Eco-Modus vollkommen aus, damit konnten wir die Werksangabe von gewichtet 16,3 bis 16,0 kWh pro 100 km teilweise auf Werte unter 13,0 kWh drücken. Negativ fiel uns das straffe Abrollverhalten auf, Kanaldeckel werden spürbar durchgereicht. Vielleicht lag dies an den montierten 16-Zoll-Rädern, 15-Zöller könnten Besserung bringen. 

Was kostet der Renault Twingo Electric? Noch nicht erhältlich, aber schon in der Preisliste ist die Basisvariante namens "Life" für 21.790 Euro, nach Prämien also unter 13.000 Euro. Sie klingt preislich verlockend, bietet aber nur absolute Basisausstattung ohne Klimaanlage.

Unser Test-Twingo lag mit Extras bei happigen 27.770 Euro. Als goldene Mitte empfiehlt sich "Zen" mit Klimaautomatik und 7-Zoll-Infotainment für 23.790 Euro. Dazu das City-Paket mit elektrisch verstellbaren Außenspiegeln und Parkpiepsern hinten (250 Euro) und die Sitzheizung vorne (290 Euro). 

Doch der Twingo Electric dürfte es trotzdem schwer haben, es wird wohl auf die Leasingrate ankommen. Warum? Zum einen die interne Konkurrenz: Ein Dacia Spring ist zwar deutlich lahmer, aber auch deutlich günstiger. Mitsamt Navi und CCS-Anschluss liegt er vor Prämien bei 22.390 Euro, der Renault Zoe mit 41 kWh-Akku und gut 300 Kilometer Reichweite beginnt bei 29.990 Euro. Zudem wird der Zoe derzeit vom ADAC schon ab 99 Euro verleast.

Der Elektro-Twingo könnte sich anbieten für alle, die nicht bis Herbst 2021 auf den Dacia Spring warten wollen. Aber selbst dann kommt das attraktivere Strom-Stadtauto von Fiat: Den neuen Fiat 500 gibt es als "Action" mit 23,8-kWh-Akku, ähnlicher Reichweite (zirka 180 km), aber viel modernem Innenraum, Klimaanlage sowie 50-kW-Schnellladen per CCS inklusive für 23.560 Euro vor Prämien. Da verzichten wir gerne auf hintere Türen.

Fazit: 

Wir müssen es so hart sagen, aber der Renault Twingo Electric kommt fünf Jahre zu spät. Er fährt sich in der Stadt toll, wirkt jedoch insbesondere im Vergleich mit dem neuen Fiat 500 altbacken. Gemessen am Gebotenen sind die Listenpreise zu hoch. Niedrige Leasingraten könnten den Twingo eventuell schmackhaft machen. Ansonsten lautet unsere Empfehlung: Renault Zoe, Dacia Spring, Fiat 500 Action oder vielleicht auch einen gebrauchten Smart Forfour EQ.   

Renault Twingo Electric Intens (2021)

Motor Fremderregter Drehstrom-Synchron-Elektromotor
Leistung 60 kW (82 PS)
Max. Drehmoment 160 Nm
Batterie Lithium-Ionen, wassergekühlt, 8 Module, 96 Zellen, 21,4 kWh Nennkapazität, 165 kg Gewicht
Antrieb Hinterradantrieb
Beschleunigung 0-100 km/h 12,9 Sek.
Höchstgeschwindigkeit 135 km/h (elektronisch abgeregelt)
Elektrische Reichweite 190 km / 270 km (innerorts)
Länge 3.615 mm
Breite 1.646 mm
Höhe 1.541 mm
Kofferraumvolumen 219 - 980 Liter
Leergewicht 1.168 kg
Zuladung 350 kg
Verbrauch 16,3 - 16,0 kWh/100 km (Werksangabe nach WLTP)
Aufladezeit 22 kW (dreiphasig, 32 A) (0 – 80 %) Wallbox/Ladestation: 1 h; 3,7 kW (einphasig, 16 A) (0 – 100 %) Wallbox: 8 h
Basispreis 24.690 Euro
Preis des Testwagens 27.769,99 Euro