Der gute alte Kombinationskraftwagen. In Deutschland trotz der SUV-Schwemme in den letzten Jahren eine echte Konstante auf dem Automobilmarkt. Aber irgendwie wurde diese Fahrzeugklasse bei vielen Herstellern im Zuge der fortschreitenden Elektrifizierung vergessen. Okay ... Porsche hat den Taycan mit vergrößertem Kofferraum im Programm, Nio den ET5 Touring. Aber sonst? Nix. Hallo Opel Astra Sports Tourer Electric. Endlich. Test!
Was ist das eigentlich?
Der Opel Astra Sports Tourer Electric vervollständigt nach dem Benziner, dem Diesel und den verschiedenen PHEV-Modellen die Astra-Familie der elften Generation (wenn wir die Kadett-Baureihen von A bis E mitzählen), die fortan mit einem Multi-Energy-Ansatz an den Start geht. Heißt: Eine Plattform, zahlreiche Antriebsmöglichkeiten. Wie beispielsweise bei BMW das macht. Von X1 bzw. iX1 bis zum 7er bzw. dem i7.
So gibt es den Astra 5-Türer als auch eben genau den Astra ST jetzt mit 130-PS-Benziner, 130-PS-Diesel, 180- oder 225-PS-PHEV-Antrieb oder eben nun mit 115 kW starkem E-Antrieb. Und zwar mit optische keinerlei Unterscheidungsmerkmalen. Lediglich das schräg gestellte "E" auf der leichten Thermoplast-Kunststoff-Heckklappe verrät der Stromer. Ziemlich gut, weil die aktuellen L-Modelle des Astra schon recht ansprechend gestaltet sind und die Elektromodelle jetzt keine Ausnahme machen.
Und wie ist er innen?
Im Cockpit ganz genauso wie die Verbrenner- oder Teilzeit-Stromer-Versionen. Aufgeräumt mit den zwei 10-Zoll-Displays, bequem mit dem AGR-Sitz (den es in den E-Astras allerdings nur für den Fahrer und auch nicht gegen Aufpreis mit Nappa-Leder gibt), leicht bedienbar mit den manuellen Knöpfen für die wichtigsten Funktionen und dazu auch noch ziemlich geräumig.
Im Vergleich zu den Verbrennern muss man allerdings geringe Abstriche beim Kofferraumvolumen machen. Denkt man zumindest beim Blick auf die nackten Zahlen. 516 bis 1.553 Liter stehen hier 597 bis 1.634 Liter gegenüber. Immerhin eine Differenz von jeweils 81 Litern.
Aber: Bei der Ermittlung der Ladegröße wird auch das Volumen unter dem doppelten Ladeboden mitgerechnet, das, wenn wir ehrlich sind, sowieso fast niemand nutzt. Aber eben dort verschwendet der 54 kW große Akku des Astra Sports Tourer Electric ein bisschen Platz. Eben genau diese 81 Liter.
Weitere Unterschiede zu den Nicht-Elektro-Astras?
Gibt es. So fällt beispielsweise die Zuladung durch das Leergewicht von 1.760 bis 1.785 kg (je nach Ausstattung) geringer aus. 415 bis 440 kg sind es. Klingt viel, aber bei vier Erwachsenen an Bord des Opel bleiben im besten Fall noch etwa 100 kg für Gepäck übrig.
Und wenn Sie jetzt denken: Naja, dann nehm ich halt einen kleinen Anhänger an den Haken, den es ja optional zu kaufen gibt, dann müssen wir Sie leider enttäuschen. Die Anhängelast beträgt nämlich genau 0 Kilogramm. Wieso es trotzdem das entsprechende Teil in der Aufpreisliste gibt? Ganz einfach, um beispielsweise einen Fahrradträger daran zu montieren.
Ebenfalls dem elektrischen Sports Tourer vorbehalten ist die Routenplanung, die Ladepunkte innerhalb der Karte und entlang der Strecke visualisiert. Aber nicht nur beim Hänger-Betrieb gibt es einen Haken, sondern auch hier: Diese Ladestopps werden (falls benötigt) nicht automatisch mit in die Routenführung eingebaut.
Man kann sie lediglich bei Bedarf anklicken und dann zusätzlich ansteuern. Dieses Feature (wie wir es mittlerweile gut von anderen Herstellern kennen) funktioniert nur, wenn die Strecke vorher über die entsprechende Smartphone-App geplant wird. Dann muss die Route vom Handy ans Auto übertragen werden. Bisschen umständlich.
Darüber hinaus ist der Opel Astra Sports Tourer Electric 31 Prozent steifer als seine Verbrenner-Kollegen. Dies liegt daran, dass im Unterboden eben die aus 17 Modulen und 102 Zellen bestehende Batterie integriert wurde. Ein nicht zu unterschätzender Faktor, wie wir gleich auf der Straße erleben werden.
Ja wie fährt er denn jetzt?
Um uns hier möglichst kurz zu halten: Sehr gut. Und ziemlich genauso wie der Fünftürer, den Kollege Leichsenring bereits vor einiger Zeit in seinem Testbericht etwas ausführlicher unter die Lupe genommen hat. Er ist mit seinem 115 kW starken Motor an der Vorderachse natürlich keine Rakete, aber uns gefällt vor allem die sich sehr natürlich entfaltende Power.
So liegt das maximale Drehmoment von 270 Nm nicht schon bei 0 U/min, sondern erst bei 500 U/min an. Das schwächt den sonst für E-Autos so üblichen Tritt in den Allerwertesten beim Anfahren etwas ab. Und man kommt trotzdem flott von der Stelle. In 9,3 Sekunden geht's aus dem Stand auf 100 km/h. Damit ist der Electric zwar nicht der schnellste Sports Tourer im Opel-Programm (die beiden PHEV-Modelle sind flotter), aber den 4-Zylinder-Diesel (hier im Dauertest) und den 3-Zylinder-Benziner (ebenfalls bereits über einen längeren Zeitraum getestet) schlägt das M3-motorisierte Modell allemal.
Ebenfalls gelungen ist die Fahrwerksabstimmung, die wunderbar mit dem Leergewicht von rund 1,8 Tonnen zurecht kommt. Klingt nach vielen Kilos, aber tatsächlich ist der Stromer-Kombi nicht einmal 50 kg schwerer als seine PHEV-Pendants. Im Vergleich zu den Verbrennern sprechen wir hier aber natürlich über Unterschiede von 300 bis 400 kg.
Aber die kaschiert der E-Antrieb ziemlich gut. Und in Verbindung mit dem tiefen Schwerpunkt und dem steifer ausgeführten Unterboden haben wir hier den wohl fahraktivsten und agilsten Sports Tourer mit dem ausgeprägtesten Rückmeldungsbedürfnis unter dem Hintern.
Und der Verbrauch sowie die Reichweite?
15 bis 15,8 kWh/100 km wurden im WLTP-Zyklus ermittelt. Die Reichweite gibt der Hersteller mit 413 km an. Theoretisch. Aber selbst bei unserer Testfahrt bei Temperaturen um den Gefrierpunkt und nicht gerade zimperlicher Fahrweise konnten wir einen Wert von 18,9 kWh/100km herausfahren. Also sollten selbst im Winter noch knapp 300 km an Strecke am Stück drin sein.
Wie es dann mit der Ladeperformance aussieht, konnten wir auf unserer kurzen Strecke noch nicht überprüfen. Maximal 100 kW sollen am Schnelllader aber möglich sein. Kein Fabelwert. Vor allem im Vergleich mit der Konkurrenz. Der Akku wäre in rund 30 Minuten wieder auf 80 Prozent. Auf einer Urlaubsfahrt mit der Familie sicher kein Problem. Für den gehetzten Außendienstler, der den elektrischen Sports Tourer geschäftlich und unter stetigem Termindruck bewegt, könnte es aber eng werden. Da hilft dann auch nicht die Tatsache, dass hier eine Menge Staubsauger in den Kofferraum passen würden.
Passt der Preis?
Mindestens 43.490 Euro sind schon eine Menge Holz für einen Kompaktwagen aus Rüsselsheim. Für rund 1.000 Euro mehr bekommt man beispielsweise auch schon ein Tesla Model Y mit mehr Power, mehr Reichweite und vor allem deutlich besserer Ladeperfomance. Dann fährt man aber halt ein SUV und keinen Kombi. Die direkte Kombi-Konkurrenz ist wenn dann nur der Nio ET5 Touring. Der ist in der Basis mit gekauftem 75 kWh-Akku und 435 km Reichweite für 59.500 Euro aber deutlich teurer.
Aber noch ist der Astra Sports Tourer Electric mit einem Netto-Preis unter 40.000 Euro voll förderfähig. Rund 7.000 Euro können so von der Gesamtrechnung abgezogen werden. Und damit landet man dann (noch, denn die Förderhöhe ändert sich ab dem 1. Januar 2024) preislich irgendwo zwischen einem Benziner oder einem Diesel mit Automatik und in der GS-Ausstattung.
Fazit
Optisch ein Hingucker, in Sachen E-Antrieb, Ladeperformance und Reichweite eher Mittelmaß, preislich akzeptabel, aber in der Fahrzeugklasse als Stromer noch ziemlich konkurrenzlos. Wenn man jetzt also nicht unbedingt auf Sprinter-Qualitäten am Schnelllader angewiesen ist und auf der Suche nach einem Elektroauto im Kombi-Format ist, kommt man aktuell nur ziemlich schwer am Opel Astra Sports Tourer Electric vorbei.
Bildergalerie: Opel Astra Sports Tourer Electric (2023) im Test
Opel Astra Electric