Es ist noch gar nicht so lange her, dass uns Opel in einer der alten Produktionshallen im Rüsselsheimer Stammsitz ein erstes persönliches Meet-and-Greet mit dem Manta GSe ElektroMOD gewährte. Schon damals waren wir beeindruckt von dem E-Umbau des Manta A aus den Siebzigern. Und die Vorstellung, damit über öffentliche Straßen zu stromern, fühlte sich irgendwie surreal an.
Was wir bei der statischen Präsentation schon über das Concept Car mit Straßenzulassung herausfinden konnten, wie die technischen Daten des Coupés zustande kommen, wie es überhaupt zu dem Umbau kam und was diesen auszeichnet, lesen Sie übrigens hier im Detail. Doch jetzt wird aus grauer Hallen-Theorie tatsächlich grellgelbe Praxis im öffentlichen Straßenverkehr. Opel lädt zur Testfahrt im Manta GSe ElektroMOD.
Man drückt uns also den originalen Schlüssel von vor 40 Jahren in die Hand, der an einem kleinen Manta-Anhänger baumelt. Aufgeschlossen wird also nicht per Funk oder gar Keyless-Go. Der Schlüssel muss ins Schloss. Umdrehen, drücken, einsteigen. Auch für das Zündschloss wird das antiquarische Teil benötigt.
Und nachdem der Schlüssel in die Startposition gedreht wurde, erwacht das aus dem Opel Mokka-e entliehene "Pure Panel" zum Leben und zeigt 100 Prozent Akkustand sowie eine Reichweite von 200 Kilometern.
Schaltgetriebe und E-Auto? Was für eine Kombi ...
Normalerweise würden wir jetzt – wie bei Elektroautos sonst so üblich – irgendeinen Kipphebel, Drehregler oder Gangwahlschalter auf "D" stellen und lautlos losrollen. Bei Opels E-Coupé ist der Prozess allerdings etwas anders, denn der Hersteller hat zwar den 4-Zylinder-Benziner unter der Motorhaube entfernt und dafür eine 108 kW (147 PS) starke E-Maschine eingesetzt, doch das Getriebe blieb unangetastet.
Wir sitzen also in einem E-Auto und drücken eine Kupplung, legen den ersten Gang ein und ... lassen die Kupplung bei gleichzeitig gedrückter Bremse vorsichtig wieder kommen. Was bei einem Verbrenner nun dazu führen würde, dass der Motor mit einem unsanften Rucken wieder abstirbt, ist beim Manta GSe eine reine Vorsichtsmaßnahme dem originalen 4-Gang-Getriebe gegenüber. Denn obwohl die Kupplung verstärkt wurde, muss der alte Teil des Antriebssystems mit 255 Newtonmeter ab 0 U/min klarkommen. Zum Vergleich: Selbst ein Manta GT/E mit 1,9-Liter-Benziner kam damals auf nur maximal 153 Newtonmeter bei 4.200 Touren.
Nichts wirkt wie ein Kompromiss
Sobald das Auto aber fährt, fährt es sich wie ein normales Auto, versichert uns Opel. Wir lassen also die Bremse los und der Manta setzt sich mit leisem und vorschriftsmäßigem Summen in Bewegung. Für die Kennenlernphase lässt uns der Hersteller eine kleine Runde unter Aufsicht auf dem Werksgelände drehen.
Bereits hier und bis maximal Tempo 50 fällt auf, wie schnell man sich an die Kombination aus E-Antrieb plus Schaltgetriebe gewöhnt und wie natürlich sich alles anfühlt. Nichts wirkt wie ein schlechter Kompromiss und es würde sich wohl eher falsch anfühlen, wenn wir nicht schalten müssten.
Dann geht es endlich raus in den öffentlichen Straßenverkehr auf unsere knapp 40 Kilometer lange Testrunde. Die Schranke an Tor 60 öffnet sich, die Ampel an der darauffolgenden Kreuzung schaltet auf Grün und schon vergessen wir vor lauter Aufregung, dass wir eigentlich eingekuppelt losfahren sollten. Verdammt. Aber zum Glück passiert nichts. Kupplung sowie Getriebe halten und wir versprechen uns innerlich, in Zukunft noch mehr an dieses ungewöhnliche Anfahr-Ritual zu denken.
Zeit, zu beschleunigen. Wie schnell es auf Landstraßentempo geht, können wir allerdings nur mit dem Popometer messen. Offizielle Zahlen gibt es keine von Opel. Unter zehn Sekunden sind es aber in jedem Fall. In den 1970ern war ein Manta mit 15 Sekunden schon ein ziemlich sportliches Geschoss. Die Höchstgeschwindigkeit gibt Opel ebenfalls nicht preis. Wir sind maximal 120 km/h gefahren. Kraftreserven wären da noch genug vorhanden gewesen für deutlich mehr.
Dabei bleibt es in dem Manta nie wirklich flüsterleise wie in einem E-Auto von der Stange. Man merkt die alten Komponenten. Das Reiben der Lager und Achsen hört sich an wie bei jedem Auto von vor 40 oder 50 Jahren, die Windgeräusche sind nicht überhörbar und das dünnwandige Blech lässt einen quasi jedes zerplatzende Insekt spüren.
Eine Klimaanlage gibt es natürlich auch nicht. Fenster runter, Arm auf die Kante, Manta fahren. So war das früher. Nicht nur im Sommer. Das mag sehr negativ klingen, sorgt aber für einen unglaublichen Retro-Charme und ein ziemlich unmittelbares sowie ungefiltertes Fahrerlebnis.
Dazu trägt auch die Lenkung bei, die natürlich ohne Servounterstützung auskommen muss. Mini redet von Go-Kart-Feeling? Opel baut mit dem E-Manta ein Go-Kart! Und zwar obwohl die für die Radkästen-Verhältnisse riesigen Ronal-Felgen verbaut sind, die ziemlich einschränkend in Sachen Wendigkeit aussehen. Doch der Wendekreis ist enorm klein. Einem Radstand aus den 70ern sei Dank.
Ebenfalls Go-Kart-verdächtig: die Straßenlage. Das Fahrwerk lässt den Manta satt über den Asphalt gleiten. Kein Schaukeln, kein Poltern. Dazu die straffen Sitze. Das Ur-Modell fuhr sich trotz Sportcoupé-Optik nach heutigen Verhältnissen eher wie ein Sofazimmer.
Das Großartigste ist allerdings die Kraftübertragung. Natürlich hat der Manta Hinterradantrieb. Und da die E-Motor-Kraft erst über eine Kupplung, ein altes Getriebe und eine Antriebswelle geschickt werden muss, bevor die Räder bedient werden, entsteht eine gewisse Trägheit in dem gesamten System, die einer natürlichen Saugmotor-Drehmomentkurve irgendwie sehr nah kommt. Der Manta GSe ist also das Saugmotor-Coupé unter den Elektroautos. Baut ihn so Opel. Genau so.
Was ebenfalls Eindruck hinterlässt ist die Aufmerksamkeit, die dieses Auto generiert. So surreal uns die Ausfahrt schon vorkommt, so surreal muss das Einzelstück auf die anderen VerkehrsteilnehmerInnen wirken. Wir werden fotografiert und gefilmt.
Mehrere Personen in einem Fahrzeug machen sich gegenseitig auf die Erscheinung aufmerksam. Lichthupen oder wilde Winkmanöver sind ebenso ganz normal. Und das im Großraum von Rüsselsheim. Mit einem Opel.
Dabei sind wir uns nicht ganz sicher ob die Leute nur auf den Manta an sich, die Farbe, den digitalen Vizor oder den lässig aus dem Fenster gehängten Arm reagieren. Oder kennen sie das Modell schon aus der Presse, von Social Media oder aus Erzählungen? Ob sie wirklich realisieren, dass dieses Einzelstück elektrisch fährt? Das E-Kennzeichen verrät es eigentlich. Aber am Ende könnte es sich auch nur um einen verrückten Manta-Fan handeln, der den Kühlergrill durch einen Bildschirm ersetzt hat.
Wieso und warum die Menschen so positiv auf das Auto reagieren, ist uns aber eigentlich egal. Und Opel dürfte es ebenfalls egal sein. Für so viel Aufsehen sorgt nämlich nicht einmal ein Porsche Taycan Cross Turismo ... oder irgendein anderes beliebiges Elektroauto.
Ob dieser Umstand ausreicht, damit Opel die Bemühungen weiter vorantreibt? Wir wissen es nicht. Die Anfragen sind laut Hersteller aber enorm. Und das obwohl für so einen Umbau schnell ein sechsstelliger Betrag zusammenkommen dürfte – ohne Spenderfahrzeug.
Die Lösung? Ein Serienmodell. Dann gerne auch auf EMP2 mit 136 elektrischen PS wie im Mokka-e. Und sind wir doch einmal ehrlich: Dem schicken SUV würde ein Coupé-Bruder mit ähnlich moderner Optik und der gewissen Portion Retro-Charme ziemlich gut stehen.