Der Elektrotransporter von Ford ist da: In nicht weniger als 25 verschiedenen Konfigurationen startet der E-Transit im Mai. Wer jetzt bestellt, soll den Wagen noch 2022 bekommen, verspricht Ford-Pro-Europa-Chef Hans Schep. Wir haben eine kurze Testfahrt mit der Kastenwagen-Version absolviert und uns über das Auto sowie das Angebot von Ford Pro informiert.

Als Testwagen haben wir uns eine etwas kleinere Version ausgesucht, den L2H2 350 mit 3,5 Tonnen zulässigem Gesamtgewicht und dem mittleren Radstand (3,30 Meter). Der gefahrene Kastenwagen hat eine dreisitzige Einzelkabine; außerdem wird noch eine Doppelkabine mit vier Türen sowie ein Fahrgestell angeboten. Für alles andere, was man sich so vorstellen kann, zum Beispiel einen neunsitzigen Bus, eine Campingvariante, Sonderversionen mit Kühlung etc. ist Ford Special Vehicles zuständig, das diese Versionen aber nicht selbst baut, sondern allenfalls einen Kooperationspartner nennt, der den Umbau vornimmt.

Ford E-Transit L2H2 350: Das Cockpit
Ford E-Transit L2H2 350: 360-Gran-Rundumsicht-System

Cockpit und Losfahren

Im Cockpit fällt zunächst der riesige Touchscreen in der Mitte auf. Diesen 12-Zoll-Monitor besitzt der E-Transit sogar schon in der Basisvariante serienmäßig – sehr ungewöhnlich für ein Nutzfahrzeug. Auf dem Display läuft (bei der gefahrenen Trend-Ausstattung) eine recht gut funktionierende Navigation. Und beim Einlegen des Rückwärtsgangs werden die Bilder der Außenkameras gezeigt. Ebenfalls über den Monitor gewählt werden die drei Fahrmodi Normal, Eco und – nein, nicht Sport, sondern Slippery. Serienmäßig sind zudem eine Klimaautomatik, Sitzheizung und eine beheizte Frontscheibe.

Wir starten den Antrieb per Knopfdruck und aktivieren über einen Drehknopf den D-Modus. Aber schon bevor wir losfahren, fällt das leichte Summen des E-Transit auf: Das ganze Armaturenbrett und sogar der Sitz vibriert. Chefingenieur Andrew Mottram, ein gemütlicher, geduldiger Mann, der uns auch nach 20 Fragen noch jede weitere beantwortet, erklärt uns, woran das liegt: Der E-Transit hat kein elektromechanisches, sondern ein elektrohydraulisches Bremssystem. Also braucht er eine Hydraulikpumpe, und nach einem Kaltstart muss die Pumpe erst Druck aufbauen – und diese Vibrationen hört und spürt man.

Bildergalerie: Ford E-Transit L2H2 350

Schon mit 135 kW erstaunlich agil

Nach 20 Metern ist das Summen vorbei, und wir merken schnell: Schon mit der kleineren Motorisierung (135 kW, es gibt auch 198 kW) ist das rund 2,6 Tonnen schwere Gefährt erfreulich agil. Die angezeigte Restreichweite liegt allerdings trotz voller Batterie anfangs bei 228 km, während der WLTP-Wert bei 317 km liegt. Nach unserer 20-minütigen Probefahrt sind davon noch 209 km übrig; zum Stromverbrauch können wir aufgrund der kurzen Fahrt allerdings keine Aussage machen.

Batterie mit Pouch-Zellen von LG

Von Andrew erfuhren wir aber, dass die Batterie auf den gleichen Pouch-Zellen von LG Chem basiert, die auch im Ford Mustang Mach-E verwendet werden. Seitlich hat man den Akku durch dicke Stahlträger geschützt; damit besteht der E-Transit nicht nur den US-Pfahlaufprall-Test (bei dem der Wagen an recht stabiler Stelle, nämlich auf Höhe der Säule hinter den Insassen getroffen wird), sondern einen Pfahlaufprall an beliebiger Stelle an der Seite, sagt Andrew. 

Ford E-Transit: Die Batterie am Unterboden
Batterie: 68 kWh netto für 317 km
Ford E-Transit: Seitlicher Rammschutz für die Batterie
Seitlicher Rammschutz für die Batterie

Aufgeladen wird der Akku wohl meist zu Hause oder im Betrieb, aber für die unerwartete Langstrecke gibt es eine 115-kW-Schnellladefunktion, mit der man im Idealfall mit 34 Minuten Ladezeit 65% der Reichweite wiederherstellen kann. Bemerkenswert auch: Der E-Transit unterstützt Plug & Charge, man braucht also keine Ladekarte und keine App für die Ionity-Säule.

Durch Einzelradaufhängung fast so komfortabel wie ein Pkw 

Im ersten Kreisverkehr zeigt sich der Vorteil der schweren 68-kWh-Batterie am Unterboden: Der Transporter wankt kaum und bleibt auch bei mutwillig rasanter Fahrweise schön stabil. Zudem ist der Federungskomfort fast schon Pkw-artig. Grund: Auch wenn der E-Transit den Nutzfahrzeug-typischen Leiterrahmen hat, besitzt er eine Einzelradaufhängung mit Schraubenfedern und Stabilisator – keine Starrachse und keine Blattfedern.

Ford E-Transit: Hinterachse mit Einzelradaufhängung und E-Motor
Ford E-Transit: Stabilisator an der Hinterachse

Rekuperationsmodi

Wenn man vom Gas geht, rollt der Transporter recht frei aus. Drückt man aber die L-Taste in der Mitte des Drehknopfes mit den Modi P, N, R und D, wird die maximale Rekuperation aktiviert. Die maximal mögliche, ergänzt Andrew: Bei Glätte zum Beispiel wird automatisch schwächer rekuperiert, damit die Hinterachse nicht überbremst wird.

Im L-Modus braucht man das Bremspedal nur im Ausnahmefall – das ist gerade in der Stadt angenehm, weil das hektische Wechseln zwischen den Pedalen wegfällt. Aber zum völligen Stillstand bringt man den E-Transit nur mit dem Verzögerungspedal. Ford wollte nicht auf den Kriechgang verzichten, erklärt mir Andrew. Das macht das Manövrieren bedeutend leichter und verhindert, dass der Wagen unversehens einen Satz nach vorne macht, weil man zu stark aufs Gas gegangen ist – das ergibt Sinn.

Ford E-Transit L2H2 350: Das Cockpit
Empfehlenswerte Taste: L-Modus rechts neben dem Lenkrad

Für die mittlere Rekuperationsstufe hat sich Ford eine seltsame Lösung einfallen lassen: Um sie zu aktivieren, muss man das Bremspedal einmal kurz antippen. Angezeigt wird dieser Modus nicht, und beim nächsten Ampelstopp ist die Einstellung wieder weg. Diesen Modus hätte sich Ford sparen können; vermutlich wird ihn kaum jemand nutzen. Nun, bei uns wäre ohnehin immer der L-Modus drin.

Vergleich mit dem Mercedes eSprinter

Einen Vergleich zur Konkurrenz haben wir bereits veröffentlicht. Hier mag ein kurzer Seitenblick auf den Mercedes eSprinter genügen. Während beim E-Transit drei Längen angeboten werden, gibt es den Mercedes nur in einer Länge (6,09 Meter). Und während man beim Ford zwischen 135 und 198 kW wählen kann, hat der eSprinter stets recht bescheidene 85 kW. Anders als der heckgetriebene E-Transit hat der Mercedes zudem immer Vorderradantrieb – ungünstig, weil das Gewicht ja meist hinten liegt.

Bei der Batterie des Sprinter hat man die Wahl zwischen 35 und 47 kWh; damit sind aber nur Reichweiten bis zu 158 km möglich, während der E-Transit 317 km schafft. Auch die Ladeleistung ist bei Mercedes mit 7 kW Wechselstrom und (optional) 80 kW Gleichstrom deutlich kleiner; der E-Transit bietet 11 kW AC und 115 kW DC.

Ford E-Transit L2H2 350: Der Laderaum
Der Laderaum des L2H2 350 (mit 230-Volt-Steckdosen rechts)

Die Zuladung des Mercedes ist mit 848 kg vergleichbar mit unserem E-Transit L2H2 350 (0,9 Tonnen). Das Ladevolumen ist mit 11 Kubikmeter allerdings größer – wegen der üppigeren Abmessungen und wegen des Frontantriebs. Der E-Transit kommt hier nur auf 9,5 m3. Die Preise für den E-Transit als Kastenwagen mit Einzelkabine beginnen bei 55.845 Euro netto; hier ist der Mercedes eSprinter mit 54.821 Euro minimal günstiger.

Ford Pro und die Flotten-Software

Auf der besuchten Veranstaltung in Barcelona hat Ford außer dem E-Transit auch die "ganzheitlichen" Services der neuen Nutzfahrzeugsparte Ford Pro vorgestellt. Dazu gehören diverse Wallboxen, deren Installation Ford vermittelt, aber vor allem auch eine Web-Applikation fürs Flottenmanagement. Damit kann die Fuhrparkleitung sehen, wo sich die Fahrzeuge befinden und wie der Ladestand ist. Die Daten werden vom Transit aus über die eingebaute Internet-Konnektivität übertragen.

Der Fuhrparkmanager oder die Managerin kann mit der Software auch herausfinden, wie oft mit dem E-Transit an teuren Schnelladesäulen geladen wird (und von welcher Fahrerin oder welchem Fahrer). Er oder sie erfährt auch, wenn das Auto geladen werden muss, und wenn gewünscht, wird die Werkstatt direkt vom Wagen von Defekten benachrichtigt, so dass zum Beispiel Ersatzteile frühzeitig bestellt werden können.

Noch ist das System aber keineswegs perfekt. Da uns vor der Testfahrt gesagt wurde, wir sollten uns die letzten Ziffern des Nummernschildes für die Auswertung merken, hatten wir gehofft, zum Beispiel etwas über unseren Stromverbrauch zu erfahren. Doch das ist nur für die Zukunft geplant. Man kann auch die Vorklimatisierung des E-Transit nicht per App starten wie bei den allermeisten Elektro-Pkw. Dazu muss der Fahrer Administrator sein und die Web-Anwendung starten. Ähnliches gilt, wenn er benachrichtigt werden will, falls das Auto (obwohl angestöpselt) nicht lädt: Das geht nicht per App, sondern nur über die Web-Applikation.

Ehrlich gesagt: Da Mercedes dergleichen Konnektivitätsfunktionen schon 2018 für den Verbrenner-Sprinter vorgestellt hat, waren wir erstaunt, dass Ford als langjähriger Marktführer bei Nutzfahrzeugen dergleichen nicht schon längst hat. Das ist keineswegs Standard, heißt es bei Ford als Reaktion auf mein Erstaunen. Als Vorteile des Systems nennt Ford, dass es auch Elektrofahrzeuge unterstützt und dass es markenübergreifend funktioniert. 

Fazit

Schon von der Papierform her hat uns der Ford E-Transit beeindruckt: Im Vergleich zur Konkurrenz bietet der Neuling mehr Antriebsleistung, mehr Reichweite und eine höhere Ladeleistung.

Bei der Veranstaltung kamen noch drei weitere Pluspunkte zutage: Das Auto ist dank Einzelradaufhängung deutlich komfortabler gefedert als zum Beispiel ein Fiat Ducato (in dem wir kürzlich eine längere Shuttle-Fahrt absolviert haben), liegt aber wegen der schweren Batterie trotzdem sehr stabil in der Kurve. Zudem hat uns die starke Rekuperation im L-Modus und die (in den Ford-Pressemitteilungen seltsamerweise gar nicht erwähnte) Plug&Charge-Fähigkeit gefallen. Nette Gimmicks sind zudem die Ladesteckdosen in Cockpit und Laderaum, an denen sich Notebook, Kaffeemaschine und ähnliches anschließen lassen.

Zu den Nachteilen gehört das seltsame Brummen beim Start, und auch die Ford-Pro-Webapplikation fürs Flottenmanagement hat uns (die wir zugegebenermaßen keine Nutzfahrzeugexperten sind) im Vergleich zu Mercedes eher enttäuscht. 

Ford E-Transit L2H2 350 135 kW Kastenwagen

Motor 1 E-Motor hinten
Leistung 135 kW
Max. Drehmoment 430 Nm
Batterie 68 kWh netto (77 kWh brutto)
Elektrische Reichweite 317 km
Ladeanschluss bis 11 kW AC, bis 115 kW DC
Aufladezeit 8,2 h AC, rund 34 min DC (15-80 Prozent).
Länge 5.531 mm
Breite 2.112 mm (angeklappte Spiegel)
Höhe 2.534 mm
Anzahl der Sitze 3
Kofferraumvolumen 9,5 m3
Leergewicht ca. 2,6 Tonnen (3,5 Tonnen zulässiges. Gesamtgewicht)
Zuladung 0,9 Tonnen
Anhängelast 750 kg (gebremst)
Basispreis 55.845 Euro netto (66.456 Euro brutto)
Marktstart Mai 2022