Nur wenige Automarken nehmen Züge einer Religion an. Meist liegt das an charismatischen Firmengründern, deren Name auf den Fahrzeugen pappt, denken Sie nur an Ferrari oder Porsche. So gesehen müsste eigentlich "Musk" statt "Tesla" auf den bekanntesten Elektroautos der Welt stehen. Denn eines ist klar: Sowohl Elon Musk als auch Tesla sind fast jedem Bürger dieses Landes geläufig.
Natürlich auch deswegen, weil Mister Musk sich selbst und seine Babies auf vier Rädern gekonnt zu inszenieren weiß. Kritiker sehen hier gewisse Züge einer Religion und so manch Tesla-Fan agiert mit fundamentalistischem Eifer. Auch für Autoredakteure wie mich ist es deshalb gar nicht so einfach, mich einem Fahrzeug der Marke Tesla neutral zu nähern.
Aber ich will es an dieser Stelle versuchen, da das Model 3 Performance des Modelljahres 2021 tatsächlich der erste Tesla seit dem Ur-Roadster ist, den ich bewegen durfte. "Durfte" deswegen, weil man einen Testwagen nicht so einfach bekommt. Aber dieser Punkt soll keine Vorverurteilung darstellen.
Bildergalerie: Tesla Model 3 Performance (2021) im Test
Genauso wie mich manch Leser dieser sympathischen Seite bitte nicht steinigen möge, wenn ich nicht extrem tief in die Technik des Tesla Model 3 eintauche. Wer darauf steht, wird bei InsideEVs Deutschland auch fündig werden. Und noch etwas möchte ich vorausschicken: Ich habe schon diverse Elektroautos verschiedener Marken gefahren, gewisse Vergleichsmaßstäbe sind vorhanden.
Letztlich geht es mir eigentlich wie vielen anderen Autofahrern, die mit Blick auf die aktuellen staatlichen Förderungen sagen: "So ein Elektroauto klingt interessant und vom Tesla Model 3 habe ich schon viel gehört. Also erzähl mal, wie es sich fährt und was es kann."
Design und Abmessungen
Fangen wir außen an: Das Model 3 ist knapp 4,70 Meter lang, hat also ungefähr das Format eines 3er-BMW. Für das Design ist Tesla zu loben, auch gut vier Jahre nach seiner Premiere wirkt die Limousine modern. Kein Wunder, schließlich musste man nicht auf irgendeinen Vorgänger Rücksicht nehmen. Zum Oktober 2020 erhielt das Model 3 eine größere Modellpflege, die bis dahin verchromten Zierteile und Türgriffe sind nun schwarz, was wirklich gut aussieht.
Apropos Türgriffe: Sie klappen ähnlich wie beim seligen Fiat Barchetta aus, wenn man auf sie draufdrückt. Eine schicke Sache, aber im Fall eines Unfalls nicht ganz optimal. Allerdings ergehen sich auch andere Hersteller bei ihren Elektroautos in unnötig komplizierten Grifflösungen, um das letzte Fitzelchen Aerodynamik herauszuholen.
Anders als man beim Betrachten der Karosserieform erwartet, gibt es hinten keine große Klappe, sondern nur einen Heckdeckel. Er lässt sich seit der Modellpflege über den Touchscreen oder die Tesla-App öffnen. Nebenbei: Mit ihr öffnet und verriegelt man das gesamte Auto, wir nutzten als "Gäste" eine Art Scheckkarte, die an die B-Säule gehalten wird. Zusammen mit dem vorderen Kofferraum, dem "Frunk", passen 542 Liter Gepäck in das Model 3, ein guter Wert.
Jetzt aber Türen auf und hineingesetzt. Schick sind die rahmenlosen Scheiben, ein sehr großes Glasdach mit Übergang in die Heckscheibe lässt viel Licht ins Innere. Auch im Fond ist das Platzangebot gut, obwohl die Dachlinie anderes vermuten lässt. Bei der oft gescholtenen Verarbeitungsqualität hat Tesla mittlerweile deutlich zugelegt.
Vielleicht mag unser Presse-Testwagen ein Ausreißer nach oben gewesen sein, doch wir konnten nichts Negatives entdecken. Die verwendeten Materialien könnten etwas hochwertiger sein. Hier liegen deutsche Premiummarken noch vorne, was sich allerdings auch bei den Preisen niederschlägt.
Brennpunkt Cockpit
Der eigentliche Zündstoff im Tesla Model 3 thront im 15-Zoll-Format mittig im ansonsten gähnend leeren Cockpit. Knöpfe sucht man fast vergebens, so gut wie alles wird über den riesigen Touchscreen gesteuert. Gewiss merken die Fans an, dass die Scheibenwischer auch per Spracheingabe zu bedienen sind.
Aber müssen selbst Dinge wie die Einstellung der Spiegel und des Lenkrads per Bildschirm erfolgen? Okay, so oft macht man DAS nicht, aber ich will es mal so formulieren: Der hochauflösende Touchscreen (er gefällt, zumal mit Google Maps) bietet unnötigerweise viel Ablenkungspotenzial.
Mir kommt hier der Ford Mustang Mach-E in den Sinn, den ich Ende letzten Jahres fahren konnte. Dort scheint sich Ford das Model 3 gut angesehen zu haben und macht bei der Bedienung aus meiner Sicht einige Dinge besser. So gibt es einen manuellen Regler für die Lautstärke und ein kleines Display hinter dem Lenkrad für die wichtigsten Anzeigen.
Der Tesla zeigt die Geschwindigkeit links oben im Display an, der Blick schweift stets leicht dorthin. Mein Vorschlag an Tesla: Macht wenigstens die Ziffern größer. Platz wäre vorhanden und mit einem der vielen Software-Updates sollte das kein Problem sein.
Fest steht: Das Tesla Model 3 ist bei der Bedienung nicht selbsterklärend, irgendwann hat man aber die wichtigsten Dinge gelernt. Zu den guten Ideen gehört etwa ein Videospiel, mit dem man sich während des Aufladens beschäftigen kann. Oder auch der Abstand beim Einparken in Zentimeter.
Fahreindrücke
Wie fährt sich das Model 3 Performance mit serienmäßigem Allradantrieb nun? Weniger aufregend als gedacht, was aber als Kompliment gemeint ist. Man ist bei Bedarf sehr flott unterwegs (3,3 Sekunden auf 100 km/h), ohne das der Tesla so brachial wie ein Porsche Taycan Turbo S das Kleinhirn an die Kopfstütze nagelt. Die Kraftentfaltung ist eher gelassen-elegant.
Ab Tempo 160 sind aber deutliche Windgeräusche wahrnehmbar, wer mag, kann dieses Model 3 auf rund 260 km/h treiben. Wir haben es bis 230 geschafft ... Das bringt mich zur Leistung: 158 kW (215 PS) und 240 Nm bietet der Frontmotor, hinten sind es 219 kW (298 PS) und 420 Nm. Wir rechnen zusammen: Macht gut 510 PS und 660 Nm Drehmoment.
Ganz schön saftig also, aber bereits das "Basismodell" des Model 3 mit Hinterradantrieb kann sich sehen lassen. 239 kW gleich 325 PS bietet die Ausführung "Standard Range Plus". Mehr als ausreichend ist selbst das allemal.
Doch zurück zu unserem Testwagen: Dessen Lenkung ist schön austariert und direkt, das Fahrwerk trotz verbauter 20-Zoll-Felgen zwar straff, aber nicht unangenehm. Verzichtbar sind die aufpreispflichtigen Features zum autonomen Fahren. Sie sind teuer und funktionieren seltener gut als gedacht.
Verbrauch und Laden
Exzellent funktioniert hingegen das Laden des Tesla Model 3. Entlang der Autobahnen und wichtiger Fernstraßen gibt es die Tesla-Supercharger, ein cleverer Schachzug der Marke. Aber eben nicht in jedem Ort, weshalb wir einen normalen "High Power Charger" nutzten, der offiziell mit 150 kW laden soll, aber zur Zeit nur 110 kW schafft. Deutsche Wirklichkeit anno 2021.
Das Model 3 saugte sich hier zu Beginn mit der Höchstleistung voll, im Schnitt dann mit 80 kW, aber selbst bei 98 Prozent Füllung, wo es bei anderen nur noch tröpfelt, immer noch mit 9,3 kW. So lässt sich festhalten: Laden hat Tesla echt drauf!
567 Kilometer maximale Reichweite gibt Tesla für das Model 3 Performance an, wir hatten 508 Kilometer auf dem Display. Auch hier: Daumen hoch! Der andere Daumen geht für den Verbrauch nach oben.
Klar, wer mit 230 über die Autobahn ballert, verbraucht in einem Verbrenner viel und auch im Model 3, nämlich rund 60 kWh auf 100 km. Umgekehrt sind aber auch sehr gute 15,5 kWh machbar, wir pendelten uns im Durchschnitt zwischen 21 und 22 kWh ein. Gemessen an der Leistung des Autos ein guter Wert.
Preise
Und was kostet das Tesla Model 3? Nun, hier ändert der Hersteller oft und gerne die Preise. Das ist unser letzter Stand, wie er aktuell (Mitte April 2021) auch im Tesla-Konfigurator ist: 54.990 Euro für die Performance-Ausführung ohne Extras, 49.990 Euro für "Long Range" mit Allrad und 39.990 Euro für den "Standard Plus" mit Hinterradantrieb.
Das ist fair, wenn man etwa den Polestar 2 zum Vergleich heranzieht. Er liegt preislich seit kurzem zwischen 41.930 und gut 58.000 Euro, ist aber nicht so kräftig wie das Model 3. Mit Blick auf die staatliche Umweltprämie sollte man dort den Blick auf das Basismodell werfen. 448 km Reichweite, 225 km/h Spitze, 18-Zoll-Alus. Reicht doch.
Noch ein Wort zu den Garantien: 4 Jahre bis 80.000 km auf das Fahrzeug. Und 8 Jahre auf die Batterie, limitiert auf 160.000 km für den Standard-Akku (58 kWh) und 192.000 km für den Long-Range-Akku (82 kWh).
Fazit: 8,5/10
Das Tesla Model 3 zählt derzeit zu den besten Elektroautos auf dem Markt, ein Wunderauto ist es aber nicht. Der Vergleich zu Apple liegt nahe: Anfangs war das iPhone dort ein einzigartiges Highlight, doch inzwischen bieten alle anderen auch Smartphones an.
Im Laufe seiner Jahre haben das Model 3 und Tesla ihre "Uniqueness" langsam verloren, die Konkurrenz holt auf. Einen Vorsprung sehen wir aber noch bei der Batterie- und Ladetechnik. Abzüge gibt es für die Bedienung über das Mega-Display.
Ob es das stärkste Model 3 sein muss, sei dahingestellt. Viel attraktiver für den Geldbeutel beim Gegenwert finden wir dessen Basismodell. Nur mal so am Rande: Die Topversion des VW ID.3 mit 77-kWh-Batterie ist teurer.
Bildergalerie: Tesla Model 3 Performance (2021) im Test
Tesla Model 3 Performance (2021)